Wes - Wächter der Nacht
Telefon klingelte, und sie wappnete sich, bevor sie den Hörer abnahm. Es war typisch für Wes, dass er sie anrief, gleich nachdem er ihre Nachricht bekommen hatte.
„Hallo?“
Schweigen. Dann ein Klick.
Verärgert legte Brittany den Hörer auf. Die Telefongesellschaft sollte sich dringend um diese Probleme kümmern. Allmählich ging ihr die Sache auf die Nerven.
Brittany nahm einen Becher und einen Teebeutel aus dem Küchenschrank und registrierte plötzlich, wie still es in der Wohnung war ohne Andy.
Ohne Wes.
Der Anrufbeantworter blinkte. Er hatte drei Nachrichten aufgezeichnet, und sie drückte den Abspielknopf, während sie den Teebeutel auspackte und darauf wartete, dass das Wasser kochte. Gott, es stank immer noch übel hier drin.
Die erste Nachricht war von ihrer Schwester, von Sonntagmorgen, und sie war überraschend kurz: „Britt, hier ist Mel. Ruf mich sofort an, wenn du nach Hause kommst!“
Na toll. So viel zum Versprechen ihres Schwagers, dass Melody sie nicht anrufen würde, bevor Wes wieder zum Dienst musste.
Wenigstens hatte Mel nicht versucht, sie in seiner Wohnung zu erreichen.
Die zweite Nachricht war gerade eine Stunde alt. Da war sie noch unterwegs hierher gewesen. „Britt, hier ist Wes. Wir müssen reden. Ruf mich an, Baby, so bald du kannst, okay?“
Oh verdammt! Er klang so ernst, als hätte er schlechte Nachrichten für sie.
Etwa: „Sieh mal, Britt, wir hatten viel Spaß miteinander, aber jetzt, wo Quinn tot ist, ziehe ich mit Lana zusammen.“
Sie zwang sich, ruhig und langsam zu atmen, während sie sich ihren Tee aufbrühte. Wenn Wes und Lana füreinander bestimmt waren, dann war es eben so. Wenn das bedeutete, dass Wes endlich glücklich würde, konnte sie damit leben.
Sie konnte lernen, damit zu leben.
Die dritte Nachricht war wenige Minuten vor ihrer Ankunft zu Hause aufgezeichnet worden. Vielleicht wendete sich ja endlich ihr Blatt, und es war George Clooney. Vielleicht hatte er ihre Nummer von Amber und …
Ein Strom schockierender Obszönitäten erklang von ihrem unschuldigen kleinen Anrufbeantworter.
Was zum Teufel …?
Es war eine Männerstimme, aber ganz sicher weder Andy noch Wes noch sonst irgendein Mann, den sie kannte. Die Worte waren verwaschen und undeutlich gesprochen, aber die Tirade endete mit einer sehr deutlichen Aussage: „Stirb, du Schlampe!“
Großer Gott, war das etwa …?
Sie drückte die Taste für „Nachricht wiederholen“ undhörte sich die Widerlichkeiten noch einmal an. Himmel, danach brauchte sie unbedingt eine Dusche. Sie lauschte angestrengt, aber die Stimme gehörte definitiv nicht zu Andys Intimfeind Dustin Melero.
Ihr fiel aber sonst niemand auf der Welt ein, der solche Drohungen auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen haben könnte.
Wahrscheinlich hatte jemand eine falsche Nummer gewählt.
Trotzdem war die Sache ihr so unheimlich, dass sie am liebsten Wes angerufen hätte.
Andererseits war im Moment alles, was geschah, geneigt, in ihr den Wunsch zu wecken, Wes anzurufen. Sie musste stark bleiben, hart, entschlossen … und die Finger vom Telefon lassen.
Als Erstes würde sie seine Sachen zusammenpacken und zur Post bringen, sodass sie ihm sagen konnte, sie seien bereits auf dem Weg zu ihm, wenn er anrief. Sodass er keinen Grund hatte, nach L.A. zu kommen. Überhaupt keinen Grund.
Sie ging den Flur hinunter. Ihre Schlafzimmertür war geschlossen. Wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein, aber der üble Gestank nach verrottendem Müll wurde stärker.
Sie öffnete die Schlafzimmertür – und ließ ihre Teetasse fallen.
Irgendwer oder irgendwas war in ihrem Bett massakriert worden. Der Gestank war ekelerregend, und sie würgte. Aber obwohl es äußerst unwahrscheinlich war, dass das, was immer da auf ihrem Bett lag, noch lebte – ihre Ausbildung als Krankenschwester hielt sie davon ab, sich umzudrehen und wegzulaufen.
Nein, bei näherer Betrachtung lag keine Leiche in dem Zimmer, nicht einmal ein totes Tier. Es war nur Blut, aber das dafür überall. Teilweise dunkel und trocken, teilweise noch hellrot. Es war auf den Bettdecken, dem Fußboden, den Wänden. Und dazwischen Innereien – Schlachtabfälle, wie man sie für den Hausalligator kaufen mochte.
Es sah nur so aus, als wäre jemand in ihrem Bett ermordet worden.
Aber, großer Gott, das bedeutete, dass jemand in ihre Wohnung eingedrungen war. Jemand, der vielleicht immer noch in der Wohnung war.
Jemand, der auf ihrem Anrufbeantworter eine Nachricht
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