Wesen der Nacht
war, würde Dereks Aufmerksamkeit nur ihm gehören. Er war so auf seine Arbeit fixiert, dass er gar nicht in der Lage wäre, zu verstehen, was ich ihm sagte. Also verhielt ich mich still, beobachtete, wie Derek Cale unsanft in die Zelle stieß und hinter ihm abschloss.
»D ieses Mal«, sagte er und zeigte mir den Schlüssel, »n ehme ich den hier mit.«
Ich setzte zu einem Protest an, als er ihn in die Brusttasche seines Shirts schob, doch Cale schüttelte den Kopf.
Derek schob mich vor sich her, die Treppen hinauf, in die Küche zurück. »J etzt kannst du mir deine Gründe erklären.«
»W illst du eine Tasse Kaffee?« Ich wollte nicht, dass er es sich hier gemütlich machte. Je früher er ging, desto schneller konnte ich Cale wieder befreien. Allerdings durfte er nicht gehen, bevor ich nicht die Möglichkeit gehabt hatte, ihm den Schlüssel wieder abzunehmen. Als er nickte, holte ich eine Tasse aus dem Schrank und schenkte ihm ein.
»E ntschuldige«, sagte ich dann. »I ch muss kurz ins Bad.«
Ich verließ die Küche durch den Windfang und ging in Richtung des unteren Badezimmers. Hinter mir hörte ich, wie Derek seinen Kaffee umrührte. Da ich fürchtete, er könne mir folgen, pflückte ich Drizzle vom Bett, wo er noch immer selig schnarchte, und trug ihn ins Bad. Ich schloss die Tür hinter mir und drehte den Wasserhahn auf.
»D rizzle, wach auf!«
Es brauchte einen Moment– und eine Ladung kaltes Wasser–, um den Kobold wach zu bekommen. Als er die blutunterlaufenen Augen öffnete, schimpfte und fluchte er, dass ich Mühe hatte, nicht rot zu werden. Immer wieder versuchte ich, ihn zum Schweigen zu bringen, doch er wollte sich einfach nicht beruhigen. Schließlich legte ich ihm die Hand über den Mund und erstickte sein Gebrüll. »S ei still! Wir brauchen deine Hilfe!«
»D ö Köbld rötöt dön Tög«, erklang es dumpf unter meiner Hand.
Mit einem Nicken zog ich meine Hand zurück. »G enau. Du musst unseren Tag retten.« Rasch erklärte ich ihm, was passiert war und was ich von ihm wollte.
Er verzog die Lippen zu einem fiesen Grinsen. »D en Jägerarsch beklauen? Sag das doch gleich!«
»O kay, halt dich an meinem Arm fest, ich sorge dafür, dass du dicht an Derek herankommst.« Sobald sich der Kobold an meinen Unterarm geklammert hatte, drehte ich den Wasserhahn zu und ging in die Küche zurück.
Derek saß mit seinem Kaffee am Tisch. Als ich hereinkam, musterte er mich derart eindringlich, dass ich schon fürchtete, er könnte Drizzle sehen. Doch als der Kobold ihm die Zunge herausstreckte und Dereks Miene unverändert blieb, wusste ich, dass Drizzle für ihn unsichtbar war. Auch als ich mich auf meinem Stuhl niederließ und dabei meinen Arm so nah an die Tischplatte brachte, dass Drizzle absteigen konnte, bemerkte Derek nichts. Fröhlich pfeifend und wild grinsend marschierte der Kobold über den Tisch, quer über Cales Teller, auf dem noch ein gebutterter Toast lag, in dem Drizzles Füße kleine Abdrücke hinterließen. Das entging Derek ebenso wie der Sprung, mit dem Drizzle auf seine Schulter hüpfte und dabei in einer Melodie, die nach einer Mischung aus Trink- und Seemannslied klang, grölte: »I ch hol mir den Schlüssel, du Schwachkopf!« Er hängte sich mit den Füßen in Dereks Kragen ein und ließ sich kopfüber nach unten gleiten. »B abe, ich hol dir den Schlüssel«, sang er weiter, ein wenig dumpfer jetzt, weil seine Stimme von Dereks Shirt gedämpft wurde. »D en Schlüssel, yeah!« Er hörte auf zu singen und ließ seine Hand in die Hemdtasche gleiten. Ich zwang mich, nicht hinzusehen, um Derek, der noch immer vollkommen ahnungslos war, nicht darauf aufmerksam zu machen, dass jeden Moment ein Schlüssel durch die Luft schweben würde.
»W ir wurden letzte Nacht überfallen«, sagte ich.
Derek fuhr auf. Um ein Haar hätte Drizzle den Halt verloren. Fluchend veränderte er seine Haltung und klammerte sich fest. »I st dir was passiert? Waren es Dämonen? Wollten sie ihre Brut befreien?«
»I ch bin in Ordnung.« Derek entspannte sich wieder ein wenig und ich fuhr fort, den Blick auf das zerbrochene Fenster gerichtet: »E s waren Menschen. Cale sagt, er hätte Magie gespürt– eine Menge Magie. Er vermutet, dass es Artefaktjäger waren. Sie müssen irgendwie Wind davon bekommen haben, dass er hier ist.«
»A rtefaktjäger!« Derek schlug mit der Faust auf den Tisch. »D as darf doch nicht wahr sein! Diese verdammten…« Er holte einmal tief Luft. »G eht es dir wirklich
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