Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
Wut als in der Hoffnung, etwas ausrichten zu können.
    »S erena? Baby?«
    Die Stimme ließ mich herumfahren. »D ad?«
    Er saß in einer Ecke, halb im Schatten verborgen. Zögernd, weil ich fürchtete, ich könne mir seine Anwesenheit nur einbilden, näherte ich mich. Die nackte Glühbirne, die an einem Kabel von der Decke hing, verströmte einen schwachen Schein, der mehr Schatten als Licht zu schaffen schien. Während ich noch gegen meinen Unglauben ankämpfte, erhob er sich. Dad war immer sehr dynamisch gewesen. Kräftig, durchtrainiert und wendig. Jetzt jedoch wirkte er ausgezehrt. Sein kurzes Haar war staubig und sah eher grau als schwarz aus und auf seinen sonst so glatten Wangen spross ein struppiger Bart. Wankend kam er zum Stehen, dabei hielt er den linken Arm an den Körper gepresst.
    Zögernd streckte ich die Hand nach ihm aus. Ich hatte Angst, ihm wehzutun, doch Dad hob seinen unversehrten Arm und zog mich an sich. Glücklich, ihn endlich gefunden zu haben, schmiegte ich mich an ihn. Ich vergaß vollkommen, wo wir waren und unter welchen Umständen dieses Wiedersehen stattfand. Alles, was ich wahrnahm, war die tröstende Umarmung meines Vaters, seine Wärme und die innere Stärke, die er trotz der offensichtlichen körperlichen Erschöpfung noch immer ausstrahlte. Tränen der Erleichterung liefen über meine Wangen. Als ich meine Arme um seine Taille schlang, zuckte er zusammen. Eine winzige Bewegung, die mich in die Wirklichkeit zurückholte.
    Ich löste mich von ihm und trat schluchzend einen Schritt zurück.
    »H ey, alles ist gut, Schatz.« Er hob die Hand und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
    Ja, jetzt war alles gut. Zumindest fast alles. Ich hatte Dad wieder. Jetzt mussten wir nur noch von hier verschwinden. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob er überhaupt in der Lage dazu war. Meine Augen blieben an seinem lädierten Arm hängen. »W as haben sie mit dir gemacht?«
    In seinem Gesicht arbeitete es. Muskeln zuckten und in seinen Augen glaubte ich förmlich, die Gedanken vorbeiziehen zu sehen. Trotzdem dauerte es einen Moment, bis ich den Grund für sein Zögern begriff. »I ch weiß, wer diese Kerle sind«, sagte ich mit belegter Stimme. »U nd ich weiß auch über deine Arbeit Bescheid.«
    Seine Unentschlossenheit löste sich in Nichts auf. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, winzig und kaum wahrnehmbar, wich jedoch rasch wieder einer ernsten, fast schon verkniffenen Grimasse. Er ließ sich wieder an der Wand nieder und fuhr sich erschöpft über die Augen. »I ch dachte, du und deine Mom, ihr wärt in Sicherheit.« Seine Stimme zitterte. »H at Trick euch denn nicht gewarnt?«
    »T rick? Ist er nicht hier?«
    »E r war nicht bei euch?«
    »W o?« Ich setzte mich neben ihn auf den kalten Boden, am liebsten hätte ich mich wieder in seine Arme geschmiegt, da ich jedoch sah, dass er Schmerzen hatte und ich ihm nicht noch zusätzlich wehtun wollte, rückte ich so nah wie möglich an ihn heran, ohne ihn zu berühren. »W o hätte er sein sollen?«
    »I n London. Er hätte dort vor… Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen sind, seit ich hier bin. Aber ich denke, dass es über eine Woche her ist, vielleicht zwei, dass ich ihn zu euch geschickt habe.«
    Nicht gut. Gar nicht gut. »E r war nicht da.«
    Dad fluchte. »E s ist schiefgegangen und jetzt sitzt er fest.«
    Ich verstand kein Wort. »W as ist überhaupt passiert? Ich… habe deine Aufzeichnungen gefunden.« Das Wort Tagebuch brachte ich nicht über die Lippen, aber auch so entging mir Dads hochgezogene Augenbraue nicht. Ich hatte in seinen persönlichen Sachen geschnüffelt, und selbst wenn ich nur versucht hatte, dadurch eine Spur von ihm zu finden, war ich doch in seine Privatsphäre eingedrungen. »W as ist bei diesem Treffen passiert, zu dem dich diese Kerle aufgefordert hatten?«
    »I ch habe mich darauf eingelassen, um herauszufinden, wer sie sind und was sie wollen. Trick ist mir gefolgt, um alles zu beobachten und mir zu Hilfe zu kommen, wenn es nötig werden sollte. Nur gab es kein Gespräch. Ich war kaum am Treffpunkt angekommen, da hatten sie mich auch schon überwältigt. Ich habe versucht, mich zu wehren, aber sie waren in der Überzahl. Im Nachhinein kommt es mir einfach nur dumm vor, dass ich sie stellen wollte. Ich verstehe immer noch nicht, wie ich mich überhaupt auf ein Treffen einlassen konnte.«
    »W eil du weißt, wie es ausgegangen ist«, sagte ich. »W as ist mit Trick?«
    Dad lächelte bitter. »S ie

Weitere Kostenlose Bücher