Wesen der Nacht
Artefaktjäger auf den Hals gehetzt!«
Seine Miene verfinsterte sich. »E s war nicht Teil des Plans, dass sie versuchen würden, sich den Dämon hinter meinem Rücken unter den Nagel zu reißen.«
Ich zwang mich zu einem boshaften Grinsen. »A ch?«, ätzte ich. »W ollten sie den großen Jäger übers Ohr hauen? Hast du dich verquatscht und ihnen versehentlich verraten, wo dein wertvoller Schatz ist, Gollum?«
Einen Moment noch ruhte sein Blick auf mir. Er wirkte unentschlossen, als wolle er noch etwas sagen. Sich– Gott bewahre!– entschuldigen. Dann schüttelte er den Kopf und verließ den Raum.
»A rmer Junge«, sagte Dad, als die Tür hinter Derek zufiel.
»A rm?«, fauchte ich. »E in elender Verräter! Er wollte Cales Herzstein verscherbeln wie ein Stück… ein Stück…« Mir fiel kein passender Vergleich ein. »… Ware«, spie ich heraus.
Es dauerte einige Zeit, bis mein Puls wieder auf eine normale Frequenz gesunken war. Ich hatte keinen Hunger. Lieber wollte ich die Teller samt Tablett auf Dereks Schädel zerschmettern. Dad überzeugte mich jedoch davon, dass es besser war, etwas zu essen. »E s hilft niemandem, wenn du in den Hungerstreik trittst. Damit schadest du nur dir selbst.«
Widerwillig musste ich ihm recht geben.
Nachdem wir gegessen hatten, nickte Dad ein. Er war schon so lange hier gefangen und noch nie hatte ich ihn so zerbrechlich erlebt. Ich ließ ihn schlafen. Wir würden unsere Kräfte noch brauchen. Wobei ich mir nicht sicher war, ob es tatsächlich so weit kommen würde. Nach allem, was Derek gesagt hatte, würden sie uns noch heute laufen lassen. Es war also vielleicht gar nicht nötig, dass Cale uns befreite. Allerdings hatten sie auch vor, das Tor zu zerstören. Das würde Dad nicht zulassen, so viel war klar. Aber was, wenn Derek inzwischen auf dem Weg zu Cale war? Was, wenn er ihn abholte, um ihn an die Artefaktjäger zu übergeben?
Cale? Beinahe sofort spürte ich seine Anwesenheit in meinem Geist. Es war Derek, der uns die Artefaktjäger auf den Hals gehetzt hat. Er wird es wieder versuchen. Noch heute. Vermutlich in den nächsten Stunden.
Da ist er nicht der Einzige. Heute haben es noch andere auf mich abgesehen.
Ich schloss die Augen und versuchte nicht an seinen Auftrag und daran, dass heute Vollmond war, zu denken. Sei vorsichtig, ja?
Mach dir keine Sorgen, Prinzessin.
Dann war er fort und ich war wieder allein mit mir und meinen finsteren Gedanken. Während ich ihnen nachhing und versuchte, einen Plan für eine Situation zu fassen, von der ich nicht die geringste Vorstellung hatte, wie sie aussehen würde, dämmerte ich ebenfalls weg.
Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, als mich entfernte Stimmen aufschreckten. Ruckartig setzte ich mich auf und bereute die Bewegung beinahe sofort. Ich war im Schlaf zur Seite gesunken und hatte eine mehr als unbequeme Haltung eingenommen, die sich jetzt in jedem Muskel bemerkbar machte.
Dad war ebenfalls wach. »S ie streiten«, sagte er.
»W orüber?«
»K eine Ahnung, dafür sind sie zu weit weg.«
Meine steife Muskulatur sandte ein protestierendes Ziehen aus, als ich aufstand und mit eingeschlafenen Beinen zur Tür humpelte. Ich legte das Ohr gegen das Holz und lauschte.
Die Stimmen kamen näher, so wie es klang, befanden sie sich jetzt im Flur, unmittelbar vor dem Zugang zum Keller. »… habt gesagt, dass ihnen nichts passieren wird!«, brüllte Derek.
Die Antwort war leiser, zu leise, um sie zu verstehen.
Dann wieder Derek. »I ch hatte euer Wort!«
Gefolgt von einer unverständlichen Antwort.
»D arauf hätte ich mich nie eingelassen.«
»W ie viele Tote wird es noch geben, wenn wir nicht handeln?« Dieses Mal waren die Worte des anderen zu verstehen. Sie waren jetzt ganz in der Nähe.
»Z u viele«, erwiderte Derek ruhiger.
»E in einziges Leben. Denkst du wirklich, dass der Preis zu hoch ist, wenn du dafür all die anderen retten kannst?«
Eine längere Pause folgte, schließlich sagte er: »N ein. Das ist er nicht.«
Sohlen knirschten auf Stein, Schritte näherten sich. Sie kamen, um uns zu holen, und nach allem, was ich gehört hatte, kamen sie nicht, um uns freizulassen.
35
Die Hände mit rauen Stricken auf den Rücken gefesselt, stießen sie uns die Treppen nach oben und aus dem Haus. Dad knirschte mit den Zähnen und war so bleich wie eine frisch getünchte Wand. Die Fesseln mussten ihm an dem verstauchten Arm schreckliche Schmerzen bereiten.
Eine dichte Wolkendecke hatte sich
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