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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bleibst bis zum Abend hier, und dann gehen wir hinüber zu dir.«
    »Ich möchte allein sein, Peter Georgowitsch.« Sie sah ihn an, als müsse sie Abbitte tun. »Ich möchte mit den Kindern allein sein, verstehst du das?«
    Heinrichinsky nickte.
    »Aber wenn du mich brauchst«, sagte er, »ich bin da. Gottes Worte können den Schmerz nicht heilen, aber lindern.«
    Sie warf den Kopf in den Nacken und ballte plötzlich die Fäuste. »Ich kann mir selbst helfen«, antwortete sie stolz.
    Am Abend ging sie hinüber ins Haus. Alle saßen sie um den Tisch, Hermann, Eva und Gottlieb, und der Tisch war leer und nicht gedeckt. Es war das erstemal, solange sie zurückdenken konnten, daß sie am Abend vor einem ungedeckten Tisch saßen.
    »Da bist du ja, Mutter!« sagte Hermann. »Wir haben dich überall gesucht.«
    »Ich war beim Pfarrer.«
    Gottlieb strich mit den Händen über den leeren Tisch. »Gibt es heute kein Abendessen?«
    »Nein.«
    »Soll ich rasch etwas kochen, Mutter?« fragte Eva und wollte aufspringen. Eine Handbewegung Ernas ließ sie auf die Eckbank zurücksinken.
    »Nein. Wir werden heute abend nichts essen«, erwiderte sie mit einer Ruhe, die unheimlich war. Alle starrten sie an, betroffen von der Verwandlung. »Ihr werdet nichts essen können.« Sie holte mit einem Seufzer Luft und sah ihre Kinder an. »Euer Vater liegt in Ust-Kamenogorsk im Krankenhaus. Er ist querschnittgelähmt. Morgen früh fahren wir zu ihm.«
    Und jetzt erst begann sie zu weinen und sank in sich zusammen und schien nicht mehr zu hören und zu sehen, wie Eva aufschrie und Gottlieb den Stuhl umwarf und Hermann die Hände vor das Gesicht schlug.
    Sie brauchten zwei Tage bis Ust-Kamenogorsk.
    Kiwrin hatte einen Bus von der Stadtverwaltung besorgt, ein uraltes Modell, das schnaufte und knatterte, in den Federn ächzte und in den Kurven schaukelte. Das wäre noch zu ertragen gewesen, aber Kiwrin hatte nicht gewußt, daß der Urahne der modernen Busse ein Moloch war, der sich mit Benzin vollaufen ließ wie ein Moskauer Stadtstreicher, der sich mit Wodka konservierte.
    Und hier begann die Schwierigkeit. Schon die erste Tankstelle weigerte sich, den Benzintank aufzufüllen. Der Tankwart musterte den Bus mit geringschätzigen Blicken und lehnte sich dann an die Tanksäule, als müsse er sie bewachen.
    »Wieviel Liter?« fragte er.
    »Volltanken«, antwortete Kiwrin.
    »Da gehen hundert Liter rein.«
    »Mindestens.«
    »Haben Sie einen Berechtigungsschein?«
    »Ich brauche keinen Berechtigungsschein. Ich bin der Bezirkssekretär von Atbasar.«
    »Gratuliere! Aber selbst wenn Jelzin hier vorbeikäme, müßte er mir den Berechtigungsschein zeigen, mein lieber Sekretär.«
    »Ich bin nicht Ihr lieber Sekretär!« schrie Kiwrin außer sich. »Was bilden Sie sich ein, Sie Zapfhahn? Sie machen sofort den Tank voll.«
    »Vollmachen? Ich kann nicht hundert Liter herbeizaubern.« Der Tankwart zog kampfeslustig das Kinn an. »Er nennt mich Zapfhahn … auch von einem Bezirkssekretär brauche ich mir eine solche Beleidigung nicht bieten zu lassen. Ich bin ein ehrlicher Bürger dieser Republik. Freundchen, die Zeit ist vorbei, wo die Partei die große Schnauze haben konnte und Bonzen wie ihr jeden zum Zittern brachten. Benzin gibt es nicht.«
    »Du Mistvieh!« brüllte Kiwrin. »Anzeigen werde ich dich! In den Steinbruch kommst du, mindestens fünf Jahre!«
    Der Tankwart nickte. Er wandte sich an die Weberowskys, die aus dem Bus gestiegen waren. »Wen habt ihr denn da mitgebracht, Leute?« fragte er. »Einen von vorgestern? Wo habt ihr den denn ausgegraben? Oder habt ihr ihn im Wald gefunden, wo er die Zeit verschlafen hat?«
    »Wir brauchen Benzin«, antwortete Gottlieb höflich. »Wir sind auf der Fahrt zu einem Kranken.«
    »Ach!« Der Tankwart zeigte auf Kiwrin. »Ihr bringt das Männlein in eine Anstalt? Zeigt mir die ärztliche Einweisung.«
    »Sofort.« Gottlieb kam näher, griff in die Rocktasche, als wolle er das Papier herausziehen, aber plötzlich schnellte seine Faust vor und traf den Tankwart genau auf die Kinnspitze. Dann wartete er ruhig, bis der Umgefallene sich wieder aufrichtete und ihn mit stierem Blick vom Boden her ansah.
    »Bravo!« rief Kiwrin. »Ich wollte gerade das gleiche tun.« Er ging zu der Zapfsäule, nahm den Schlauch und steckte ihn in den Tankstutzen. Rauschend schoß das Benzin in den Bus.
    Der Tankwart wollte aufspringen, aber bevor er taumelnd hochkam, packte ihn Gottlieb an den Trägern des Overalls und drückte ihn

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