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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zweihundert Jahren! Ist das ein zu großer Wunsch?«
    »Für dich nicht, aber laß Andreas aus dem Spiel. Er weiß besser als du, was für ihn gut ist.«
    Aber damit war für Weberowsky das Thema noch nicht erledigt. Er dachte auch an die Auswirkungen auf seine Familie, wenn Professor Frantzenow sich entschloß, mit ihnen nach Deutschland auszuwandern. Sein Entschluß konnte Hermann und vor allem Gottlieb, den strammen Kommunisten, überzeugen, daß der Weg nach Westen sinnvoller war als der Weg nach Osten, in das noch immer unbekannte Sibirien. »Wenn Sibirien erschlossen wird –«, hatte Gottlieb einmal gesagt –, »wenn dort neue Städte entstehen, wenn revolutionäre Pionierarbeit getan wird, dann braucht man auch dort gute Ärzte. Viele Ärzte. Das ist mein Ziel: Ein Arzt im eroberten Sibirien sein! Und nicht ein Praxisverwalter, der jeden Monat die Krankenscheine zählt.«
    Wenn ein Mann wie Frantzenow Rußland verließ, mußte auch ein Gottlieb Weberowsky nachdenklich werden.
    Schreiben wir Andreas erst einmal zurück, dachte er. Nach neun Jahren ist er zurückgekehrt, und er soll unsere Freude spüren. Und dann fahre ich wieder nach Ust-Kamenogorsk zur Organisation ›Wiedergeburt‹ und dem deutschen Kulturzentrum und werde mich durchfragen bis zu Andrej Valentinowitsch Frantzenow. Und wenn sie sagen: Den gibt es nicht, werde ich antworten: Ha! Geschrieben hat er mir! Hier ist sein Brief. Also geht aus dem Weg, ehemalige Genossen, und laßt mich zu ihm.
    Zufrieden mit diesen Gedanken duschte er sich, zog sein Nachthemd an und legte sich ins Bett.
    Erna blieb noch auf. Sie las zum vierten Mal den Brief ihres Bruders. Es war wirklich, als sei er von den Toten auferstanden.
    Im BND und beim Verfassungsschutz hatte man wenig Hoffnung, den flüchtigen Karl Köllner noch aufzuspüren. Den Schaden, den er im Außenministerium angerichtet hatte, war noch nicht zu überblicken. Eine kleine Sonderkommission des Amtes, die zur Untersuchung gebildet worden war, schien jedoch davon überzeugt, daß Köllner alles nach Moskau verraten habe, was von den einzelnen Botschaften als streng vertrauliche Sache nach Bonn gegeben wurde. Das war eine Katastrophe, und im Auswärtigen Amt war man bemüht, alles herunterzuspielen und vor allem der Öffentlichkeit diesen neuen Fall vorzuenthalten. »Es ist eine absolut interne Sache«, stellte der Staatssekretär mit knappen Worten klar. »Ich möchte fast sagen: eine Verschlußsache. Meine Herren, es ist nichts gewesen. Absolut nichts.«
    Um so eifriger kümmerten sich CIA und BND um die noch unklaren Verbindungen von Karl Köllner zu seiner Tante Erna Weberowsky und seinem zu neuem Leben erweckten Onkel Professor Frantzenow. »Das kann ein ganz raffinierter Ring sein«, sagte Egon Kallmeier im Kollegenkreis. »Ein international berühmter Atomforscher, eine biedere Bäuerin und der Referent im Außenministerium … alles integere Personen, wenn nicht – und da brutzelt der Hase in der Pfanne – alles zu harmlos aussähe. Der CIA hatte zwei V-Männer in diese geheimnisvolle Atomstadt geschickt. Wir werden mit neuen, überraschenden Erkenntnissen rechnen müssen. Ideal wäre es, wenn Köllner in Kasachstan auftaucht. Aber das wäre ja schon ein Märchen …«
    In Kirenskija sag Professor Frantzenow untätig herum und vervollständigte sein Tagebuch, von dessen Existenz nur er allein wußte. Ein geheimes Buch voller Zündstoff. Er schilderte darin nicht nur seine Gedanken, sondern notierte in einer raffinierten Verschlüsselung unter Verwendung von Tolstois ›Krieg und Frieden‹ die Ergebnisse seiner nuklearen Forschungen und die Entwicklung neuer russischer Sprengköpfe mit Scharfmacher-Codes, die bei jeder Raketenwerfer-Einheit täglich geändert wurden. Dadurch wurde ein Atomsprengkopf, gelangte er wirklich in fremde Hände, völlig wertlos und war nur ein Klumpen Metall. Auch die Zusammensetzung vom Uran-235 und Plutonium, als Grundmaterial für eine Kernwaffe, hatte er neu berechnet. Schon fünf Kilogramm Plutonium reichten aus, eine Bombe zu entwickeln, die verheerender war als die Bombe von Hiroshima. Fünf Kilogramm … man konnte sie wegen ihrer schwachen Alphastrahlung bequem in einer Plastiktüte wegtragen. Erst wenn das Plutonium oder Uran-235 im Reaktor aufgearbeitet wird, wird der nukleare Brennstoff zur tödlichen Waffe.
    An einem Nachmittag meldete sich ein junger Mann bei Frantzenow. Er trug eine Brille mit goldenem Gestell, einen guten Anzug und machte den

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