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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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macht vielen zu schaffen. Sie sind irgendwie heimatlos geworden. Die Partei war ihr Lebenssinn. Nun stehen sie da und sind plötzlich nichts.«
    Der spitze Schnabel des Fischreihers zuckte ins Wasser.
    »Jetzt hat er einen!« rief Weberowsky begeistert. »Ein Prachtexemplar! Glänzt wie Silber.«
    Der Reiher würgte den Fisch hinunter und scharrte weiter im flachen Wasser.
    »Ja, so ist es, Schwager.« Frantzenow stützte sich nach hinten ab. »Fressen und gefressen werden. Ich möchte nicht gefressen werden.«
    »Das bist du bereits. Du lebst im Magen der Isolation.«
    »Themawechsel!« Frantzenow winkte ab. »Du kannst es nicht lassen.«
    »Wenn der Reiher satt ist, gehen wir schwimmen«, meinte Weberowsky. »Kannst du überhaupt schwimmen?«
    »Natürlich.« Frantzenow dehnte sich wohlig. »Ist das ein Tag! Wir sollten Sliwka dankbar sein, daß er uns seinen Wagen geliehen hat. Wir wären sonst nie hierhergekommen.«
    »Ich mag ihn nicht«, erwiderte Weberowsky.
    »Was hast du gegen ihn?«
    »Er hat kalte Augen. Augen wie ein Bär. Augen, in denen man nichts erkennen kann.«
    »Nicht jeder kann einen strahlenden Blick haben. Was habe ich für Augen?«
    »Traurige.«
    »Du bist verrückt, Schwager.« Frantzenow stemmte sich hoch und dehnte sich mit ausgebreiteten Armen. »Ein Mädchen hat einmal zu mir gesagt: Du hast Augen wie die untergehende Sonne.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Ungefähr dreißig Jahre.«
    Er bückte sich, holte eine dicke Gurke aus dem Glas und aß sie. Dabei beugte er sich vor, damit der Saft nicht über sein Kinn und den Hals lief. Der Fischreiher schlug mit den Flügeln, erhob sich dann in die Luft und schwebte davon zu seinem Nest in einem der Baumwipfel. Frantzenow blickte ihm nach.
    »Wirklich ein schöner Vogel. Welche Eleganz in den Bewegungen. Du siehst, auch das trostloseste, wüsteste Land kann Schönheit hervorbringen.«
    »Der Fischfresser ist weg, jetzt gehen wir schwimmen.« Weberowsky zog sich aus. Sein nackter Körper war braungebrannt und muskulös. Frantzenow dagegen war blaß, fast bleich. Sein Körper, sonst gut geformt, hatte in den vergangenen Jahren wenig Sonne gesehen. Es war der Körper eines Mannes, der selten aus seinem Anzug hinausgekommen war. Weberowsky sah ihn mit geschürzten Lippen an.
    »Du hast eine Hautfarbe wie Grießpudding«, sagte er.
    »Danke. Und du wie vertrocknetes Leder.«
    Sie liefen hinunter zum See, wateten hinein und schwammen dann nebeneinander bis zum gegenüberliegenden Ufer.
    »Das tut gut!« rief Weberowsky. »Das Wasser ist kühler, als ich gedacht habe. Der See muß einen unterirdischen Zulauf haben. Bestes Quellwasser.«
    »Der Wassermann ist eben ein Feinschmecker.« Frantzenow lachte und schwamm wieder zurück zur Seemitte. »Wer ist schneller von uns? Machen wir ein Wettschwimmen?«
    »Einverstanden. Aber ich warne dich. Ich schwimme wie ein Seehund.«
    »Und ich wie ein Delphin.«
    »Also los!«
    Wie zwei übermütige Jungen begannen sie im Kraulstil den See zu durchqueren. Weberowsky war im Vorteil, er hatte die stärkeren Muskeln. Dennoch war er Frantzenow nur eine Körperlänge voraus, der keuchend die letzten Meter noch aufholen wollte. Sie platschten durch das Wasser, traten kleine Fontänen hoch und wirbelten mit den Füßen das in der Sonne glänzende Wasser auf.
    So hörten sie nicht die Schüsse, die vom Wald her peitschten. Verwundert sah Frantzenow nur, wie Weberowsky plötzlich die Arme hochwarf, in einem letzten Schwimmstoß noch das seichte Wasser erreichte und dort liegenblieb.
    »Was ist denn, Wolfgang?« wollte Frantzenow rufen, aber da traf ihn ein harter Schlag am linken Oberschenkel, sein Bein und dann der ganze Körper begannen wie bei Schüttelfrost zu zittern. Er spürte keinen Schmerz, sondern nur das Zucken seines Beines und ein Gefühl der Taubheit.
    Erst da begriff er, daß man auf ihn geschossen und ihn auch getroffen hatte. Er erreichte das flache Wasser, wollte sich aufrichten, aber knickte sofort ein und fiel auf die Knie. Vor ihm lag Weberowsky schräg im See und rührte sich nicht.
    »Wolfgang!« schrie Frantzenow. »Wolfgang! Ich komme, ich komme!«
    Ohne daran zu denken, daß weiter auf sie geschossen werden könnte, kroch er auf Händen und Knien zu Weberowsky hin, drehte ihn auf den Rücken und drückte ihn an sich. Mit geweiteten Augen starrte ihn Weberowsky an, versuchte zu sprechen, aber es war nur ein undeutliches Lallen. Dann entspannten sich seine verkrampften Gesichtszüge, und ganz

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