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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Er hatte die Schule abgebrochen, trug viel zu lange Haare, Ohr-Plugs und - wie sie gerade feststellte — ein neues Piercing auf der Augenbraue. Zwar hatte er keine Tattoos, aber die ließen sicher nicht mehr lange auf sich warten. Dass er der netteste Mensch war, dem sie je begegnet war, konnte man von seinem Äußeren her nicht unbedingt schließen.
    »Wie läuft’s mit der Musik?«, fragte sie. Als er mit dem Feuer fertig war, knallte er die Ofentür zu.
    »Wir haben bald zwei Gigs in Lynwood und einen dritten in Shoreline.« Er grinste. »Und bald spielen wir in Seattle. Ist nur noch eine Frage der Zeit, Baby.«
    »Hast du mal wieder was Neues geschrieben?«
    »Hab ich.«
    »Cool. Kann ich mal hören?«
    »Sicher. Wenn ich auf dem Holzofen spielen könnte, aber das kann ich nicht.«
    Sie verdrehte die Augen. »Sehr lustig. Du weißt genau, was ich meine. Wann probt ihr denn wieder?«
    »Keine Ahnung. Ich hab bald Prüfungen. Darauf konzentriere ich mich gerade. Das mit der Musik - schreiben und komponieren und so - ist momentan eher Nebensache.«
    »Alles klar.« Sie hielt ihm ein Ei hin.
    »Die sind für dich«, sagte er.
    »Ich zahl’s dir zurück.«
    »Ja, irgendwann«, sagte er. »Oder ich prügele es aus dir heraus.«
    Sie wusste, dass er Spaß machte, aber sie wusste auch, dass sie nicht ewig Lebensmittel von ihm annehmen konnte, so wie sie es die letzten zwei Monate getan hatte. Das war Seth gegenüber nicht fair, und die einzige Möglichkeit, die Situation zu ändern, war, einen Job zu finden. »Wie du meinst«, sagte sie. »Aber du darfst nicht mehr so viel Geld für mich ausgeben.«
    »Wie gesagt, für mich ist das billige Unterhaltung«, versicherte er ihr. »Wie läuft’s denn so mit Derric in letzter Zeit?«
    Sie zog eine Grimasse. »Die gleichen Sprüche wie immer. >Was läuft da mit Darrow? Wo wohnst du? Was ist eigentlich los?<«
    »An deiner Stelle würde ich es ihm sagen. Ich kann mir schon vorstellen, warum er so was denkt, Beck. Das ist bei Jungs so. Das kannst du ihm nicht übelnehmen.«
    »Tu ich ja gar nicht. Ich will bloß, dass er mir glaubt, dass ich ihm nicht mehr erzählen kann. Er denkt, wir beide wären heimlich zusammen. So ein Quatsch«, fügte sie hinzu.
    »Na, vielen Dank ...«
    »So habe ich das nicht gemeint. Heute hat er sich wieder aufgeregt, und später hab ich dann gesehen, wie er mit einer Cheerleaderin geflirtet hat. Er hat ganz genau gewusst, dass ich sie beobachte, da bin ich sicher. Ich soll sehen, dass er jede haben kann, die er will. Und das weiß ich auch. Ich bin ja nicht blöd.«
    Während er zuhörte, wühlte Seth im Rucksack herum, den er mitgebracht hatte. »Eine Cheerleaderin?«, sagte er. »Voll ätzend.« Dann holte er eine Tüte Käsepopcorn aus dem Rucksack, riss sie mit den Zähnen auf und sagte: »Willst du auch? Die sind zwar schon abgelaufen, aber nichts ist besser als Popcorn, um die Cheerleader dieser Welt zum Teufel zu jagen.«

Kapitel 9
    J enn McDaniels kam zu dem Schluss, dass es so gut wie null Unterhaltungswert hatte, Annie Taylors Fremdenführerin in Langley zu sein. Sie hatte Annie nur deshalb mit ins South-Whidbey- Gemeindezentrum begleitet, weil sie am späten Nachmittag zwei Möglichkeiten hatte: Sie konnte mit Annie auf die Versammlung der Robbenbeobachter gehen, von der die junge Frau im Internet gelesen hatte, oder ihre Brüder antreiben, dass sie ihre Zimmer aufräumten, während ihre Mom Abendessen vorbereitete und dabei pflichtbewusst auswendig gelernte Passagen aus dem Alten Testament rezitierte. Letztendlich war ihr die Option, Annie Taylor zu zeigen, wie die Dinge in Langley liefen, reizvoller erschienen. Jetzt war sich Jenn jedoch nicht mehr so sicher, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte.
    In dem Versammlungszimmer herrschte eine Bullenhitze. Da waren zu viele Leute auf zu kleinem Raum, die schwer erkältet husteten und ächzten. Und sie brauchte eine Zigarette. Annie hatte ihr Pizza versprochen, wenn die Versammlung vorbei war, aber sie nahm einfach kein Ende und absolut nichts war entschieden worden. Jenn verstand nicht, was das ganze Theater sollte. Die pechschwarze Robbe war früher als sonst aufgetaucht. Und warum war das so ein furchtbares Ereignis im Leben der Inselbewohner? Niemand schien darauf eine Antwort zu haben. Am allerwenigsten Annie Taylor, die sich während des gesamten Treffens Notizen machte, als müsse sie über dieses Thema eine Prüfung schreiben. Wenn sie nicht auf ihren Notizblock kritzelte,

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