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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Er hatte es auf die ineinandergreifenden Äste zweier großer Hemlocktannen gesetzt, die tief im Wald auf einem Grundstück standen, das Seths Großvater gehörte und auf dem er auch lebte. Ralph Darrow hatte keine Ahnung, dass Becca seit November auf seinem Grundstück wohnte, und Seth hatte ihr geholfen, dafür zu sorgen, dass es dabei blieb.
    Sie mussten zehn Minuten laufen, bis sie zu der Lichtung kamen, auf der die Tannen standen. Es war stockfinster im Wald und Becca war froh, dass Seth sie begleitete. Sie hatte zwar ihre eigene Taschenlampe, die sie aus ihrem Rucksack hervorgekramt hatte, doch der Wind war mit dem Regen stärker geworden, und das Knarren der Äste von Erlen, Kiefern und Zedern erschreckte sie jedes Mal. Deshalb war es ein beruhigendes Gefühl, dass Seth vor ihr herlief. Noch beruhigender war es, dass er nicht stehenblieb, als sie die Lichtung erreichten, sondern stattdessen einen Arm voll Feuerholz hinter dem riesigen Wurzelballen eines gestürzten Baumes hervorholte. Dies brachte er zur Leiter des Baumhauses, trug es hinauf und hob es durch die Falltür ins Haus hinein.
    Es war kein normales Baumhaus. Dieses Baumhaus war robust, mit einem kräftigen Dach, das Wind, Regen und Schnee abhielt, und doppelglasigen Fenstern, die die Wärme im Innern speicherten. Außerdem hatte es einen kleinen Holzofen, um es warm zu halten. Hier hatte sich Becca Nacht für Nacht, Woche für Woche versteckt; mit einer Laterne als einziger Lichtquelle, einer Pritsche und einem Schlafsack als Bett, mit Wasser gefüllten Kannen, um ihren Durst zu löschen, und mit einem kleinen Gaskocher für einfache Mahlzeiten. Ihre »Toilette« bestand aus einem Eimer, den sie in den Büschen versteckte, und einer Harke und einer Schaufel, mit der sie alles vergrub, was vergraben werden musste. Es war ein hartes Leben, aber so - und mithilfe der Dusche im Mädchenumkleideraum der Schule - kam sie einigermaßen über die Runden.
    Und Derric wollte darüber Bescheid wissen. »Wo wohnst du, verdammt?«, war seine immer wiederkehrende Frage, zusammen mit: »Komm schon. Was ist mit Seth Darrow? Was läuft da zwischen euch?«
    Sie konnte ihn sogar verstehen. Thanksgiving hatte sie bei ihm zu Hause gefeiert, als Derrics offizielle Freundin. Aber als es Zeit wurde aufzubrechen, ging sie genauso, wie sie gekommen war - auf ihrem Mountainbike -, und lehnte das Angebot seiner Eltern, sie zu fahren, strikt ab. Als sie Weihnachten das Gleiche tat, fing Derric an, Fragen zu stellen. Und als er sie in der Stadt in Seths VW sah, stellte er noch mehr Fragen. »Wir sind bloß Freunde«, reichte Derric als Antwort nicht. »Es gibt kein Problem«, beteuerte sie immer wieder. Aber das war natürlich eine Lüge.
    Es gab tatsächlich ein Problem, und das war sein Vater. Als stellvertretender Sheriff der Insel würde Dave Mathieson die Sache sicher nicht auf sich beruhen lassen, wenn er erfuhr, dass eine Minderjährige ganz allein in einem Baumhaus im Wald lebte. Außerdem war er im Herbst einem Handy auf der Spur gewesen, das einer gewissen Laurel Armstrong gehörte. Zum Glück hatte er die Suche wieder aufgegeben, aber Becca wollte um keinen Preis, dass er erfuhr, dass Laurel Armstrong ihre Mutter war und mit ihr aus San Diego geflohen war.
    Doch die Geheimnisse, die sie vor Derric hatte, trieben einen Keil zwischen sie beide. Dass er selbst ein Geheimnis hatte, das nur sie kannte, machte die Sache nicht leichter. Er wollte völlige Offenheit zwischen ihnen. Du kennst mein Geheimnis, also verrat mir deins. Aber das konnte sie nicht tun. Sie redete sich ein, dass es zu seinem Besten war, aber manchmal fragte sie sich, ob sie sich nicht etwas vormachte.
    Seth ging zum kleinen Holzofen im Baumhaus. Er hatte Becca beigebracht, wie man Feuer macht, doch bisher war jeder ihrer Versuche erfolglos geblieben. Diesmal war es nicht anders. Er wunderte sich, warum es so kalt war, und legte seine Hand auf den Ofen. »Beck«, sagte er seufzend.
    »Ich weiß, ich weiß.«
    Sie fing an, die Einkaufstüte auszupacken. Darin waren Aufschnitt, eine Tüte Milch, ein Dutzend hart gekochte Eier, ein Brot, zwei Sandwiches und drei Rollen Toilettenpapier. Da war sogar eine Zeitschrift, eine alte Ausgabe von People mit dem »Sexiest Man Alive« auf dem Cover. Die legte sie zur Seite und nahm sich ein Ei. Während Seth das Feuer anzündete, pellte sie es und sah ihm zu. Komisch, wie man sich in Menschen täuschen kann, dachte sie. Seth kam rüber wie der Albtraum aller Eltern.

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