Wetterleuchten
wohne. Und deshalb drohst du mir. Nein, du drohst mir gar nicht. Du machst wirklich Schluss. Ich habe es dir nicht gesagt. Und ich werde es dir auch jetzt nicht sagen. Deshalb gibst du einfach auf. Als wäre es so wichtig, wo ich wohne. Ich dachte, wer ich bin, ist wichtig, nicht die Information, die ich dir nicht geben kann.«
Er schüttelte den Kopf. »Die Information, Becca, ist nur symbolisch, alles klar? Sie ist ... Sie ist das Symptom. Die Krankheit selbst ist was anderes.«
Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, aber sie wollte auf keinen Fall, dass er sie weinen sah. »Geschenkt«, sagte sie und drängte sich an ihm vorbei.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu gehen. Warum kannst du nicht ... hallte ihr noch nach, aber wie alles Flüstern war es unvollständig, genau wie sie selbst.
Kapitel 11
B ecca erlebte, wie sich Derric in kürzester Zeit veränderte, und sie musste sich selbst fragen, wie gut sie ihn eigentlich kannte. Sie dachte, er wäre anders als die typischen Highschooljungs. Sie hatte angenommen, er unterschied sich aufgrund seiner Kindheit in Afrika von den anderen. Sie hatte gedacht, der Verlust beider Eltern noch vor seinem fünften Geburtstag und sein Leben in einem Pappkarton in einer Gasse in Kampala, Uganda, bis ein Kinderheim ihn aufnahm, hätten ihn nachhaltig geprägt. Dass er deshalb die Welt mit anderen Augen betrachtete. Aber wie sich herausstellte, war das nicht der Fall.
Courtney Baker war der Albtraum jedes Mädchens. Und der Traum jedes Jungen: blondes Haar, blaue Augen, makellose Haut, die kein Make-up brauchte, toller Körper, hübsche Hände mit ovalen Fingernägeln, perfekte Beine. Sie gehörte zu den Mädchen, die zu allen freundlich waren, eine zukünftige Abschlussballkönigin, dachte Becca hämisch. Aber das Schlimmste an ihr war, dass keine ihrer Charaktereigenschaften künstlich wirkte. Deshalb wusste Becca sofort, was ihr blühte, als sie zum ersten Mal sah, wie sich Derric und Courtney nach der Schule unterhielten.
Andere Schüler hätten vielleicht gedacht: »Der Mathieson hat null Chancen bei ihr!«, weil Courtney in der Elften war und Derric nicht. Aber sie waren gleichaltrig, und selbst wenn sie es nicht gewesen wären, war es ziemlich eindeutig, dass sich beide eng verbunden fühlten. Sie unterhielten sich angeregt. Sie brachten sich gegenseitig zum Lachen. Courtney stupste Derric leicht am Arm, als er irgendeine Bemerkung machte. Er strahlte sie an und nahm ihren Rucksack, um ihn für sie zu tragen. Er bedeutete ihr mit dem Kopf, ihm zu folgen, und als sie gemeinsam losmarschierten, liefen sie im Einklang, wobei Courtney ihren Schritt an seinen anpasste.
Auf der South Whidbey Highschool kannte jeder jeden und dessen Privatangelegenheiten, und deshalb verbreitete sich die Neuigkeit schnell. Oder vielmehr die Neuigkeiten, die sich zu einem Ganzen zusammenfügten und Derric und Courtney betrafen. Jemand hatte sie zusammen im Clyde, jemand anderes bei Village Pizza gesehen. Sie waren trotz der Kälte mit einem Motorboot raus auf den Goss Lake gefahren, und als der Motor den Geist aufgab, mussten sie auf Rettung warten, lachten sich aber darüber kaputt, wie dumm sie gewesen waren. Sie waren im Gemeindezentrum gewesen, hatten an einem Tisch die Köpfe zusammengesteckt und irgendetwas getrunken. Sie waren in der Stadt im Alderwood Einkaufszentrum gewesen. Becca hatte keine Ahnung, wie sie es schafften, so viel Zeit miteinander zu verbringen, wenn man bedachte, dass sie beide Einserschüler waren, aber irgendwie bekamen sie es hin.
Also schön, zwischen ihr und Derric war es vorbei. Und das allein tat schon höllisch weh. Aber was seltsam war: Dass Derric sie links liegen ließ und sie ihn mit Courtney sah, tat weniger weh, als mitanzusehen, wie er sich veränderte. Es war, als hätte er einen Teil von sich aufgegeben. Er entfernte die kleine ugandische Flagge aus seinem Spind, er nahm das Bild von der Straßenband herunter, in der er gespielt hatte, als er noch im Waisenhaus in Kampala war, er ging nicht zu dem Konzert von Musikern aus Zimbabwe im hiesigen Kulturzentrum, das er früher auf keinen Fall verpasst hätte, und am schlimmsten: Er hörte auf, sich den Kopf zu rasieren. Dieser glatte dunkle Schädel war sein Markenzeichen gewesen, die Art, wie er der Welt mitteilte, wer er wirklich war. Aber kaum hatte er angefangen, mit Courtney Baker auszugehen, ließ er sich die Haare wachsen. Und das machte Becca traurig; mehr als alles
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