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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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mit Mühe wieder anziehen konnte.
    Das Schlimmste war, dass seine Mom genau wusste, was vor sich ging. Jedes Mal, wenn er von einem Date mit Courtney nach Hause kam, wartete sie schon auf ihn. Sie fragte nicht, wo sie gewesen waren oder was sie gemacht hatten. Zu seinem Vater sagte sie jedoch: »Sprich mit ihm, Dave.«
    »Rhonda, er weiß, was er tut«, antwortete sein Vater jedes Mal.
    Nun, manchmal wusste er, was er tat, und dann wieder nicht. Von dem Moment an, als er anfing, sich für Mädchen zu interessieren, war ihm zwar eingetrichtert worden, dass er ein Kondom benutzen müsse, ganz gleich, was passierte. Worauf man ihn jedoch nicht vorbereitet hatte, war, unter welchen Druck ihn Courtneys widersprüchliche Signale setzten sowie die Frage nach dem Wann, Ob, Wie und Wo. Es dachten sowieso alle, dass sie miteinander schliefen. Jungs in der Schule fragten mit einem anzüglichen Grinsen: »Und ...?«, während sie darauf warteten zu hören, wie es war, sie nackt zu sehen. Mädchen an der Schule lächelten vielsagend, wenn sie an ihnen vorbeiliefen, und grüßten sie mit einem »Hi, Derric. Hey, Courtney«. Und ihr Tonfall suggerierte die unausgesprochene Frage: »Wo treibt ihr zwei es eigentlich? Bei ihm? Bei ihr? Hinten im Auto?«
    »Dann können wir es auch gleich machen«, sagte Derric zu ihr.
    »Ich komme mir so scheinheilig vor«, erwiderte Courtney.
    Eines ihrer Probleme war ihr Gebetskreis an der Schule. Sie hatte den Kreis im Auftrag ihrer Kirche ins Leben gerufen und leitete ihn. Die Gruppe traf sich einmal in der Woche in einem der Klassenräume, wo sie für alles betete, wofür gebetet werden musste. Als Derric im Herbst im Krankenhaus gelegen hatte, hatte sie für ihn gebetet. Davor hatte sie für die Familie eines Absolventen der South-Whidbey-Highschool gebetet, der in West Seattle eines Nachts erschossen worden war. Wenn es keinen besonderen Anlass gab, beteten sie füreinander und baten Gott, dass er ihnen Standhaftigkeit schenke, sich an ihr Gelübde zu halten.
    Courtney hatte ihm zuerst nichts von dem Gelübde erzählt. Sie wartete so lange, bis sie sich gegenseitig die Kleider vom Leib reißen wollten, und erklärte ihm dann, dass sie dachte, er würde nicht mit ihr gehen wollen, wenn sie völlig ehrlich mit ihm gewesen wäre. Als er fragte, was sie damit meinte,senkte sie den Blick und gestand, dass ihr Gebetskreis ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte. Kein Sex vor der Ehe, sagte sie ihm. Zumindest nicht den eigentlichen Akt.
    Er hatte gesagt, dass das kein Problem für ihn wäre, weil er es in dem Moment auch so meinte. Aber das war vor der Nacht, als sie ihren Pulli hochzog, ihren BH öffnete und sagte: »Ist mir egal.« Dann machte sie jedoch gleich wieder einen Rückzieher: »Ich kann einfach nicht.« Das war eine Woche, bevor sie ihm gestand, dass sie Angst hatte.
    Sein Innerstes war nach außen gekehrt. Und als sie zu ihm sagte: »Vielleicht sollten wir beide beten«, machte er mit, weil er im März so weit war, dass er es nicht mehr aushielt und unbedingt etwas passieren musste.
    Er war noch nie bei einem Gebetskreis gewesen. Manchmal ging er sonntags mit seinen Eltern in die Kirche, aber die verpassten die Messe so oft, wie sie sie besuchten. Er wusste zwar, dass die Kirchengemeinde seiner Mom sie nach Uganda geführt hatte, aber ansonsten besaß er keine religiöse Erziehung. Spiritualität bedeutete ihm nichts. Wenn ihm der Besuch eines Gebetskreises jedoch helfen könnte, eine Entscheidung zu treffen, was er in Bezug auf Courtney - und vor allem mit ihr - tun solle, war er gern bereit, es auszuprobieren.
    Die Mitglieder des Gebetskreises trafen sich in der Mittagspause mit ihren Lunchpaketen und Bibeln. Derric hatte keins von beiden und fühlte sich sofort fehl am Platz. Aber die Leute kannten ihn und er kannte sie, und als ihm jemand ein halbes Sandwich anbot und jemand anderes eine Bibel, dachte er, dass es schon nicht so schlimm werden würde.
    Zuerst aßen sie ihre Sandwiches, lasen in ihren Bibeln und sagten kein Wort. Erst als sie mit dem Mittagessen fertig waren, senkten sie die Köpfe und fingen an zu beten. Sie saßen in einem Kreis aus Tischen, und jeder nahm die Hand der Person neben sich. Einer nach dem anderen fingen sie an zu reden.
    Derric packte der Schrecken. Er hatte gedacht, man bete in Gebetskreisen um allgemeine Dinge, aber das waren sehr persönliche Gebete. Er hatte sofort ein schlechtes Gefühl, worauf das hinauslaufen würde.
    Seine Befürchtungen

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