Wetterleuchten
ursprünglich aus Possession Point. Deshalb dachte ich ...«
»Was hast du eigentlich da gemacht?« Jenns Augen verengten sich, und sie sah sie misstrauisch an.
»Hm? Wo?«
»Meine Güte. Wo wohl, Fettwanst. Im Gemeindezentrum. Was hattest du da zu suchen?«
»Wieso? Darf ich nicht da sein, oder was?«, fragte Becca.
»Nee, denn mir geht’s besser, wenn du nicht in der Nähe bist, und ich war auch bei dem Treffen. Aber ich hab dich gar nicht gesehen.«
»Ich saß bei Seth.«
»Ach sooo. Dein neuer Freund Seth.«
Becca seufzte und übte sich in Geduld. Jenn McDaniels war sicher das unerträglichste Mädchen auf der ganzen Welt. Sie sagte: »Ich frag ja bloß. Wenn du nicht willst, dann sag mir halt nichts, okay?«
»Mach ich auch nicht.«
»Wahrscheinlich hast du einfach keine Ahnung«, sagte Becca.
»Und ob ich Ahnung habe. Ich weiß ’ne ganze Menge mehr als du. Es gab eine Ölkatastrophe, und er hat wahrscheinlich damals dort gelebt, und wenn du es genau wissen willst, dann frag ihn doch selbst. Oder hast du etwa Schiss? Na klar. Du hast totale Angst vor ihm.«
»Ich hab das Gefühl, dass jeder Angst vor ihm hat«, erklärte Becca. Dann gab sie auf und verließ den Umkleideraum.
Bilgenöl war tatsächlich schlimm. Jenn hatte recht gehabt. Und Becca hatte nicht lange gebraucht, um das herauszufinden. Im Fall der Ölpest auf Whidbey Island war ein Frachter falsch mit dem Bilgenöl beladen worden. Und als Folge davon kam es zu einem Rohrbruch, und das Öl lief aus, als der Frachter vom Hafen von Everett in die Fahrrinne des Puget Sound einfuhr. Es lief nachts aus und wurde erst bemerkt, als die Flut den öligen Schlamm ans Ufer spülte und über ganz Possession Point verteilte.
Einiges davon erzählte ihr der Biologielehrer an der Highschool. Andere Einzelheiten erfuhr sie, als sie ein weißes Fischerhäuschen auf der Second Street in Langley aufsuchte, wo die Historische Gesellschaft ein Stadtmuseum eingerichtet hatte und wo auch andere Informationen aufbewahrt wurden, nicht zuletzt in Form von den Erinnerungen der Freiwilligen, die mit der Leitung des Museums betraut waren. Hier erfuhr Becca, dass das ausgelaufene Öl, das Possession Point verseucht hatte, für alles und jeden giftig war, mit dem es in Kontakt kam. Die Menschen mussten Schutzanzüge tragen, wenn sie sich in seine Nähe begaben, und es wurden Inselbewohner aus verschiedensten Bereichen herangezogen, um das Öl zu beseitigen.
Giftig bedeutete tödlich, das wusste Becca. Tiere, die von einer Ölschicht bedeckt waren, starben. Sie fragte sich, was mit Menschen geschah, die mit dem Öl in Kontakt kamen. Drang es in ihre Haut ein? Wurde es in den Körper aufgenommen, in ihr Blut? Drang es bis ins Gehirn? Und nagte es an ihrem Verstand? Vielleicht war das die Ursache für Eddie Beddoes merkwürdiges Verhalten. Warum sonst würde er den Drang verspüren, eine Robbe zu töten? Schließlich war er kein Fischer, den die Robbe seines Fangs beraubte.
Sie wollte unbedingt mit jemandem sprechen, der ihre Fragen beantworten konnte, doch der einzige Mensch, der ihr einfiel, war Sharla. Und Sharla sprach im Allgemeinen nicht viel.
Sie sagte: »Ölpest?«, und dachte: zu nah ...zu lange her, um mich zu erinnern ... ist lange vorbei ..., und das half Becca wenig. Sie fuhr fort: »Ja, ich habe dort gewohnt. Und mein Mann hat beim Saubermachen geholfen. So wie alle anderen auch.«
»Das war sicher schlimm, oder?«, fragte Becca. Sie spülten gerade das Geschirr an einem Abend, als Becca nach ihrer Arbeit in Ivars Hühnerstall bei ihnen gegessen hatte. »Ich habe Fotos davon gesehen, im Museum der Historischen Gesellschaft. Die Helfer trugen Schutzanzüge.«
»Ja, sicher«, sagte Sharla. Aber nicht Eddie ... Das Öl wurde ihm zur zweiten Haut... legte etwas anderes nahe, und Becca spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten.
»Und Sie?«, fragte Becca. »Haben Sie auch einen Schutzanzug getragen?«
Eddie nicht... Eddie nicht... wie er aussah und der Geruch ... acht Tage und dann ... nein, nein, das werde ich nicht...
Was meinte sie damit?, fragte Becca sich. Worüber wollte sie nicht nachdenken?
Ivar konnte oder wollte ihr nicht helfen. Er redete nicht gern über Eddie Beddoe und sagte bloß: »Ich weiß nur, dass Eddie Beddoe schon bekloppter war als ein räudiger Waschbär, bevor das Öl den Strand verschmutzt hat, Becks, und noch lange Zeit danach.«
Das war alles, bis zu dem Tag im Hühnerstall, als Becca fast schon aufgegeben hatte
Weitere Kostenlose Bücher