Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
vernommen?“
„Sicherlich.“
„Heute?“
„Keine Ahnung. Warum?“
„Ich muss wissen, wie ich den Arbeitsplan aufstellen soll. Es ist praktisch noch nichts erledigt, und wenn auch noch alle vernommen werden, müssen gewisse Dinge vorrangig getan werden.“
„Ich verstehe. Nun, die Polizei wird zuerst die Gäste vernehmen. Vielleicht sind sie schon da. Wie spät ist es?“ Sie sah zur Uhr und beantwortete ihre Frage selbst.
„Viertel nach zehn. Dann sind sie sicher schon im Haus. Nein, gehen Sie davon aus, dass Sie erst morgen mit der Polizei sprechen werden. Von Ihnen war ja auch keiner nachts hier, und ich schätze, der Mord wird in der Nacht stattgefunden haben. Also haben Ihre Männer und Sie den Polizisten auch nicht viel an Erkenntnissen zu bieten.“
„Was für ein Auto hatte sie?“
Camilla antwortete: „Mrs. Reiche? Einen dunkelblauen, hm, ich glaube, es war ein Ford.“
„Und was trug sie?“
„Das weiß ich doch nicht! Das heißt, sie trug doch immer diese rote, kurze Lederjacke, wenn sie hinausging. Wieso fragen Sie das?“
„Ich werde mich mal umhören, ob sie jemand gesehen hat. Hier stehen die Leute früh auf, die Möglichkeit besteht also, zumal, wenn frühmorgens ein Auto in der Gegend herumfährt. Wann, sagten Sie, haben Sie und Ms. Waters das Autogeräusch gehört?“
Camilla dachte nach. Das war ja die reinste Inquisition. Generalprobe für den polizeilichen Ernstfall, dachte sie. „Muss so gegen fünf, halb sechs gewesen sein. Um die Zeit werde ich immer wach. Jedenfalls bin ich nicht durch das Geräusch geweckt worden. Warten Sie einmal.“ Camilla ging in den Stall, wo sie Isabelle noch beim Striegeln vorfand. „Kommst du mal?“ sagte sie laut. Als Isabelle das Werkzeug niederlegte und näher kam, flüsterte sie ihr zu: „Wir haben das Autogeräusch, du weißt schon, gegen fünf, halb sechs gehört!“ Isabelle nickte und zeigte den erhobenen Daumen.
„Ja bitte?“ fragte sie den Whiskymeister.
„Weißt du noch, wann du den Wagen gehört hast?“ fragte Camilla das Mädchen.
„Nein, nicht genau, weil ich nicht zur Uhr gesehen habe. Aber kurz danach klingelte mein Wecker, und der ist immer auf halb sechs gestellt.“
Der Alte nickte. Dann stand er auf. „Gut, ich werde jetzt wieder rübergehen. Soll ich den Leuten erzählen, was sich ereignet hat?“
„Ja, das ist wohl das Beste. Irgendwann erfahren sie es ja sowieso.“
Nachdem er den Stall verlassen hatte, sahen sich Camilla und Isabelle aufatmend an. „Oh Gott, ich glaube, ich bin ganz rot geworden.“
„Sieht man nicht bei dem Licht hier“, entgegnete das Mädchen.
„Der hat mich befragt, also, ich sage dir…“
„Ich hab’s gehört. Was meinst du, warum ich das Pferd gestriegelt habe? Das ist die leiseste Arbeit im Stall.“
„Du Lauscherin!“
Beide kicherten leise.
„Hoffentlich ist der Alte auf unserer Seite und erzählt der Polizei keinen Quatsch. Er ist nicht dumm.“
„Nein. Aber er ist auf unserer Seite, wie alle hier. Mach’ dir darüber keine Gedanken.“
Aufgeregt ging Camilla ins Hotel zurück. Sie merkte, dass ihr Blutdruck stieg. Ihre einzige Sorge war, sich nicht zu verplappern. Das war eine Rolle auf Leben und Tod und sie hatte keine Chance für eine Generalprobe bekommen.
Im Hotel ging sie leise durch das Foyer, an der Rezeption sah sie Eilidh, die Haushälterin.
Fragend sah sie sie an. „Ich bin von Mr. McLeish hierher versetzt worden“, rief sie Camilla verteidigend entgegen.
„Prima! Macht Ihnen das auch nichts aus? Ich kann mich im Moment noch nicht um die Anmeldung kümmern.“
„Aber nein! Das ist sehr spannend. Ich meine, hier zu sitzen. Was passiert ist heute Nacht, ist natürlich furchtbar tragisch.“
„Ja. Sie haben also schon von dem Drama gehört?“
„Ja, natürlich. Es wird von nichts anderem gesprochen.“
Camilla schrieb die Nummer ihres Handys auf einen Zettel und bat Eilidh, sie anzurufen, wenn diese ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen solle.
„Ist denn die Polizei schon da?“ fragte sie.
„Ja, im Speisesaal. Vernehmen jeden einzeln.“
„Waren Sie auch schon dran?“
„Hm.“
Camilla verzichtete darauf, nachzuhaken. Sie ging in die Bibliothek, wo sie niemanden fand, und dann zu Georg. Auch dort reagierte keiner auf ihr Klopfen. In ihrem Salon setzte sie sich auf ihr Sofa, legte die Beine hoch und zwang sich zur Ruhe. Manchmal wünschte sie sich, autogenes Training zu beherrschen.
Nach einer halben Stunde klopfte es.
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