Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
gewesen. Blau? Nun, jedenfalls dunkel. „Aber nicht Metallic-lackiert, das hätte geglänzt.“
Über Metallic oder nicht hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Er fragte sie beiläufig, ob sie immer so früh wach wäre. Sie kicherte verschämt und murmelte etwas von wach gemacht worden und vom Flurfenster und dem Weg zum Bad, äh, hinterher.
Die Frau, die er danach aufsuchte und die schräg gegenüber wohnte, konnte sich genau daran erinnern, morgens ein Auto gesehen zu haben. Auch über die Farbe war sie sich im Klaren, nicht aber über das Modell. Aber auch sie konnte den Wagen beschreiben. Eindeutig ein Ford. Dass sie die Farbe erkannt hatte, wurde ihm klar, als er beim Verlassen des Hauses die Straßenlaterne erblickte. „Stört Sie die Laterne nicht?“
„Anfangs ja, aber nun haben wir uns an sie gewöhnt. Mein Mann und ich müssen nachts öfter raus, und dann ist es angenehmer für den anderen, wenn man die Nachttischlampe nicht anzuknipsen braucht.“
„Von wo haben Sie den Wagen gesehen?“
„Na, durch das Schlafzimmerfenster.“
„Ziehen Sie denn nicht die Vorhänge zu?“
„Nein, warum denn?“
Er konnte sich eine Menge Grüne vorstellen, aber die kamen für sie offenbar nicht mehr in Frage.
Seufzend machte er sich auf den Rückweg und landete schließlich wieder im Pub, wo sich John auch schon eingefunden hatte. Er konnte noch nicht lange da sein, denn er rieb sich die rotgefrorenen Hände. Erwartungsvoll sah er seinem Chef entgegen. „Na? Erfolg gehabt?“
Russell zuckte die Schultern. „Wie man’s nimmt. Drei Personen haben den Wagen dieser Mrs. Reinicke gesehen. Demzufolge hat sie das Dorf verlassen und schwirrt jetzt irgendwo herum. Die Leiche ist sie jedenfalls nicht, es sei denn, sie hätte einen Anhalter aufgelesen, der hätte sie umgebracht, ohne sie zu vergewaltigen, sie an den Strand, ausgerechnet an jenen, gebracht und so weiter. Höchst unwahrscheinlich, da pflichtest du mir doch bei?“
„Woher weißt du, dass die Leiche nicht vergewaltigt worden ist?“
„Ach, entschuldige, das habe ich vergessen zu sagen: Ich habe vorhin im Labor angerufen.“
„Haben sie sonst noch etwas gefunden?“
„Sie vermuten, dass ein Schlag auf den Kopf die Todesursache gewesen sein könnte. Bis jetzt waren keine Verletzungen oder Giftspuren erkennbar.“
„Und sie ist nicht vergewaltigt worden? Das wird ja immer mysteriöser!“
Russell schüttelte den Kopf. Er bestellte ein Lager, rieb sich die Augen und sagte, mehr zu sich selbst: „Ich glaube, ich werde allmählich zu alt für den Job. Diese Sache hier fängt jetzt schon an, mir über den Kopf zu wachsen.“
John legte ihm mitfühlend die Hand auf den Unterarm. „Du wirst nicht zu alt. Dieser Job ist einfach das Letzte. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so hilflos und ohne jegliche Anhaltspunkte herumgeirrt zu sein. Du?“
„Nope“, seufzte Russell, nahm sein Bier und stürzte es herunter.
Beide schwiegen einen Moment. Dann fragte John: „Und es hat sich auch kein Fremder in der Gegend herumgetrieben?“
Verblüfft sah ihn Russell an. „Verdammt, danach habe ich gar keinen gefragt! Habe mich nur auf dieses elende Auto konzentriert!“
„Ich auch“, gab John schuldbewusst zu.
„Dann können wir mit der Befragung von neuem anfangen? Das ist toll. Wirklich – ganz toll“, grollte Russell mit galliger Stimme. John winkte dem Wirt. „Hat sich hier in letzter Zeit in Fremder aufgehalten?“
„Oh ja! Bis vor kurzem. Ein sehr netter Mann aus gutem Hause. Kein Engländer.“ Russells Kopf zuckte, unisono mit dem von John, alarmiert hoch. „Ire, würde ich sagen. Gut betucht. Er wollte sich hier niederlassen, hat sein Pferd im Stall des neuen Hotels untergebracht und ein Haus gemietet. Vorgestern ist der Gaul krank geworden und er ist mit ihm zu einem Pferdespezialisten abgereist.“
Hastig machte John sich Notizen. „Wie hieß der Mann?“
„Robert Connaugh.“
„Und wo wohnt er?“
„Hat gewohnt. Bevor er weggefahren ist, hat er ordnungsgemäß gekündigt.“
Russell und John sahen sich an. Jetzt hatten sie etwas. Sie tranken aus, bezahlten und fuhren zu der von dem Wirt angegebenen Adresse. Das Haus war unverschlossen. „Rühr’ ja nichts an“, sagte Russell.
„Für wie blöd hältst du mich?“
Er erhielt keine Antwort.
„Warum sollte jemand kündigen und ausziehen, nur weil er mit seinem Pferd einen Spezialisten aufsuchen will?“ fragte John.
„Kluges Kerlchen“, entgegnete Russell.
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