Whisper (German Edition)
Feuerholz fallen, ohne darauf zu achten, dass es genau auf seine Füße knallte. Er starrte sie groß an, der Mund ging auf, dann wieder zu, doch dann brachte er die für ihn erlösenden Worte über die Lippen.
„Jasmin, gütiger Himmel!“ Er gab dem Holz einen Tritt, sodass es von seinen Schuhen fiel, und wandte sich um. „Jasmin ist hier“, brüllte er durch den Wald.
„Verdammte Scheiße, Jasmin hat uns gefunden.“
Das Mädchen hatte nur kurz Zeit, sich umzusehen. Weiter hinten, direkt vor einem Baum, saßen die Kids, wobei drei am Boden hockten und einer sich um das schwach glimmende Feuer kümmerte. Schon war Patrick bei Tom und riss sie fast aus dem Sattel, um sie ohne Vorwarnung in seine Arme zu schließen. Jasmin war derart überrascht, dass sie sich nicht wehrte und Sekunden später bemerkte, das Patrick haltlos weinte und schluchzte. Sein Körper zitterte richtig, während er an ihr hing und sich einfach nicht beruhigen wollte. Leicht verwundert, überrascht und zögerlich schloss auch sie ihre Arme um seinen Körper, einfach um ihn spüren zu lassen, dass sie keine Halluzination war. Dabei bemerkte sie aus dem Augenwinkel, dass auch die anderen aufgesprungen waren und auf sie zu rannten. Lediglich einer blieb zurück.
„Wir sind gerettet“, schrie Christina wie verrückt. „Wir sind gerettet. Hilfe ist endlich da!“
Edith schloss sich dem tobenden Freudengeheul an. Markus jagte stolpernd hinter ihnen her und ohne Ausnahme fielen sie alle Jasmin um den Hals, die sich der Übermacht kaum erwehren konnte, an sich schon ein Problem damit hatte, mit dieser überschäumenden Reaktion fertig zu werden. Schlagartig wurde ihr klar und bewusst, dass ihre Entscheidung, mitten in der Nacht loszureiten, kein Fehler gewesen war. Die Kids waren verzweifelt, hatten Angst, waren allein und heilfroh, dass sie erschienen war. Jasmin hörte die vielen verschiedenen Worte gar nicht, konnte die Ausrufe nicht einordnen und bemerkte, dass Patrick nicht der Einzige war, der heiße Tränen vergoss.
Erst als sich die Kids etwas beruhigt hatte, begannen sie sprudelnd ihre Fragen zu stellen, Bemerkungen zu machen und heillos durcheinanderzureden, bis Jasmin heftig durchatmete.
„Jetzt haltet doch mal alle in Gottes Namen die Klappe!“
Es wurde nicht nur ruhig, sondern nahezu totenstill. Fast ehrfürchtig trat man vor ihr zurück. Patrick putzte die letzten Tränen zur Seite, Markus hatte den Blick eines Menschen, der gerade in sekundenschnelle eingefroren war, und die Mädchen schienen sogar mit dem Atmen inne zu halten.
„Sie kann ja sprechen“, würgte Edith schließlich heraus und war die Erste, die den Mund schloss. Jasmin sah sie bedeutungslos an.
„Nur weil ich nicht spreche oder gesprochen habe, heißt das nicht, dass ich es nicht kann.“
„Unglaublich“, hörte sie Markus sagen, „du klingst sogar recht sympathisch!“
Jasmin kniff die Augen zusammen und sah einen nach dem anderen an. Sie waren dreckig, sahen müde aus, aber alles in allem schienen sie in Ordnung, wenn nicht …
„Wo ist Judith?“
„Himmel ja“, Patrick wuchtete sich herum und lief zurück zum Feuer, wo noch ein weiterer Körper an einen Baum gelehnt hockte.
„Wir müssen ihr irgendwie helfen“, hörte Jasmin Edith rufen. „Sie ist in ein Fangeisen geraten und wir bekommen sie nicht mehr raus. Sie hat höllische Schmerzen, war schon dreimal bewusstlos.“
Ein Fangeisen, aha. Ein Fangeisen! Ein Fangeisen … eine Falle, eine, wie sie Wilderer benutzen? Jasmin erinnerte sich kurz an den Bärenkadaver, an das viele Blut, an die Verstümmelung und jetzt war Judith … nein, das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Ein Schauer raste über ihren Rücken, während sie hastig nach Toms Zügel griff und den Kids zu dem Körper folgte. Und je näher sie kam, desto deutlicher wurde die Gewissheit. Judith war in eine Falle getreten.
Als sie beim Feuer vorbei kamen, blieb Jasmin kurz stehen.
„Macht das aus!“ Eine normale Aufforderung, vielleicht etwas heftig gestellt und für sie nicht üblich. „Ihr fackelt noch den ganzen Wald ab!“ Aber niemand reagierte wirklich darauf, da sämtliche Augen auf die Gestalt gerichtet waren, die dort gekrümmt am Baumstamm lehnte, weswegen Jasmin selbst mit den Füßen etwas Erde über die Glut schob, bevor sie Tom zurückließ und auf die am Boden sitzende Person zutrat. Mit Jacken und Pullovern hatte man versucht, dem Mädchen ihre Lage zu angenehm wie möglich zu machen, was aber
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