Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
Vom Netzwerk:
sagen und deutete, die Hand langsam nach vorne ausstreckend, in den Wald. Jasmin durchfuhr es heiß. Die Wilderer, schoss es ihr durch den Kopf, doch als sie sich umdrehte, hatte sie ein ganz anderes Bild vor Augen. Ein Bild, das sie traf wie ein Pfeil, der Sekunden vorher abgeschossen worden war. Zwischen den Bäumen, etwas weiter abseits von der Stelle, an der die Wilderer verschwunden waren, traten zwei Gestalten durch die Bäume hindurch. Die eine schwarz, die andere golden, vorne zweimal weiß gefesselt, hinten zweimal weiß gestiefelt, mit einer Blesse, die zwischen den Augen ihren Ursprung hatte, über den Nasenrücken verlief und sich über die rechte Nüster ausbreitete.
    Jasmin stand wie angewurzelt da. Das Bild war so geisterhaft, dass sie es fast nicht glauben wollte, doch das Geräusch der tretenden Hufe sagte ihr doch, dass es stimmte, was sie sah.
    „Was um alles in der Welt wird das? Wo kommen die jetzt auf einmal her?“
    Jasmin sah nur kurz auf Patrick. Er konnte es ja nicht wissen. Wie auch.
    „Jasmin, was ist da draußen?“ Es war Kinos Stimme.
    Das Mädchen musste sich schnell wieder fassen, ordnete blitzschnell ihre Gedanken und konzentrierte sich wieder, sodass sie Kino eine normale Antwort geben konnte.
    „Nichts weiter. Tom ist wieder da, mit Mystery.“
    „Mit Mystery?“
    „Wer zum Teufel ist Mystery?“ Patrick war aufgestanden und sah zwischen Jasmin und den Pferden hin und her.
    „Das ist Mystery“, Jasmin deutete auf den Palomino. „Sie ist unsere Idee, wenn man so will.“
    Jasmin ging auf die Pferde zu, die direkt vor ihr stehenblieben. Die goldene Stute verhielt neben Tom und stupste Jasmin ebenso sanft an, wie der Rappe es getan hatte. Das Mädchen zögerte leicht, doch dann hob sie ihre Hände und fuhr beiden Pferden über den Nasenrücken. Sanft durchpflügte sie den Schopf, um dann über deren Hälse zu gleiten. Dabei sah sie nicht nur in die Augen der Stute, sondern auch in jene Toms. Es war absolut derselbe Blick. Total identisch. Whisper, Tom, Mystery. Es war, als würden diese Pferde eines sein, und doch waren sie alle drei unterschiedlich. Nur der Blick, dieses ruhige Glänzen, das Spiegeln, die Wärme, die er wiedergab. Nur der Blick war gleich. Jasmin atmete durch. Whisper hatte eine große Bedeutung in ihrem Leben gehabt. Sie war für sie alles und noch mehr gewesen. Und Whisper war wieder bei ihr. Ihre Seele war in diesen wundervollen Körper geschlüpft, um bei ihr sein zu können.
    „Wir haben hier eine Aufgabe!“ Jasmin ließ ihre Finger über das Fell der Pferde gleiten. „Und die schaffen wir nur, wenn wir einander vertrauen.“
    Ein Krächzen ließ sie nach oben blicken. Es war nur ein sanfter Laut, kaum von den Stimmen der anderen Vögel zu unterschieden, da das Geräusch einfach mitging, doch Jasmin hörte es heraus. Unweit von den Pferden entfernt saßen sie, die beiden schwarzen Vögel, abwartend, beobachtend. Jasmin lächelte ihnen zu. Die Vögel begleiteten sie, seit sie in Kanada war. Es war, als würde eine unsichtbare Hand die Führung übernehmen, und die Tiere stetig dazu auffordern, auf sie achtzugeben. Sie hatte die Tiere nie ignoriert, aber auch nicht bewusst wahrgenommen. Es war an der Zeit, das zu ändern. In Deutschland, zuhause in München, hatte sie nie auf Zeichen dieser Art geachtet. Aber sie vermutete, dass es sie dort schon gegeben hatte. Für sie nicht greifbar, da es viel zu viele Menschen verhinderten hatten. Sie hatte weder die Möglichkeit noch die Ruhe noch die Zeit dazu gehabt, etwas zu bemerken, zu sehen, darauf aufzupassen und es anzunehmen. Und wenn, es hätte bestimmt jemanden gegeben, der ihr den Weg versperrt hätte. Ihr waren schon die Gedanken an Whisper nicht gegönnt gewesen, da hätte man ihr Hirngespinste über Rabenvögel noch viel weniger erlaubt. Es hatte sich viel verändert. Hier war dies alles möglich und das kraftvolle Gefühl, zu diesem Teil der Erde zu gehören, um Dinge erleben zu können, die für andere nicht greifbar waren, wurde stärker und stärker.
    „Jasmin!“
    Das Mädchen zuckte zusammen, bemerkte, dass sie etwas zu lange in Gedanken versunken gewesen war. Abrupt drehte sie sich um und stand Patrick direkt gegenüber.
    „Mann“, schimpfte er, „wenn du abwesend bist, kann man sich die Lunge aus dem Leib schreien. Es ist, als wärst du taub. Was machen wir jetzt weiter? Kino will mit dir reden. Komm schon. Wir müssen was tun.“
    Jasmin musste sich wirklich zusammenreißen. Mystery

Weitere Kostenlose Bücher