Whisper (German Edition)
brachte sie dazu, in andere Sphären zu tauchen. Momentan keine wirklich gute Idee.
Wortlos ging sie hinter Patrick her, zur Hütte zurück. Die Pferde blieben dicht hinter ihr.
„Kino!“ Patrick hämmerte gegen die Tür. „Wir haben hier draußen zwei Pferde. Tom ist zurück und neben ihm steht ein, ein, ein, ich würde mal sagen, gelbes Pferd, weiß nicht, wie sich diese Farbe nennt. Kann nicht sagen, wo sie hergekommen ist, aber ich denke, wir sollten es …“
„Patrick, halt mal kurz die Klappe“, tönte es aus der Hütte, sodass der Bursch augenblicklich verstummte. „Jasmin?“
„Ja!“ Das Mädchen schloss die Augen und lauschte der Stimme.
„Jasmin, Großvater sagte zu mir, die Raben werden dich leiten, der Grizzly beschützen. Du kennst diese Worte. Nimm die Kraft von Whisper und folge den Raben. Sie werden dir sagen, was zu tun ist. Vertrau den Mächten, egal was sie dir zeigen werden. Wir werden hierbleiben und warten. Judith kann nicht laufen und ich werde mit meinem Bein nicht diskutieren, wenn es seinen Dienst verweigert. Wir werden hierbleiben, bis Hilfe kommt. Mein Großvater, Dan und auch dieser Constable von der RCMP werden bereits Suchtrupps losgeschickt haben. Vielleicht haben es mein Vater und Kinsky schon zurückgeschafft. Sie alle suchen nach uns. Mein Großvater kennt diese Hütte. Sie liegt zwar sehr weit westlich, aber irgendwann wird er hier suchen und uns finden. Und wenn euch jemand über den Weg läuft, könnt ihr von der Hütte erzählen. Jeder kennt sie. Hier sind wir gut aufgehoben, es kann uns nichts passieren. Reite los, Jasmin. Nimm Patrick mit, er wird sich eben festhalten müssen. Vertrau denen, die dir den Weg zeigen wollen, Jasmin. Und glaub an Mystery. Glaub an Whispers Seele.“
Patrick zog die Stirn einmal mehr kraus. Er blickte zur Tür, hinter der er die Worte Kinos durchaus verstanden hatte, und dann auf Jasmin, die lediglich stumm dastand. Hinter ihr die Pferde in abwartender Haltung. Irgendwas ging hier vor, was er nicht einreihen konnte. Er hatte bereits viel gehört, schon einiges anders eingeordnet, als es für ihn normal der Fall war, etliches einfach hingenommen und akzeptiert, da er es nicht verstand, aber an dieser Stelle war er geneigt, doch kräftig zu zweifeln.
„Hörst du mich, Jasmin?“, tönte es hinter der Tür. Doch es dauerte eine Weile, bis sie antwortete.
„Kino!“
„Ja.“
„Ich habe Angst davor.“
Kurzes Schweigen.
„Ich weiß!“
„Und ich will nicht mehr nach Deutschland zurück.“
„Reite jetzt los, Jasmin.“
Das Mädchen bemerkte den Blick Patricks nicht, der sie etwas betroffen anstarrte. Und niemand konnte die Blicke jener sehen, die in der Hütte hinter der Tür standen, und sich ebenfalls das Atmen verkniffen. Lediglich Stefan war in der Lage Kinos Worte als solche richtig zu verstehen. Aus ihm sprach diesmal der Naturmensch, der Indianer, der tiefes Vertrauen in die großen Mächte hatte und im stillen Great Spirit darum bat, Jasmin beizustehen. Und niemand sah die Tränen in Kinos Augen, als er ihre Angst hörte. Er konnte ihr jetzt nicht helfen. Sie musste allein los und den Zeichen vertrauen.
„Jasmin.“
Er wartete nur kurz, erhielt keine Antwort.
„Ich hab dich, verdammt nochmal, sehr lieb.“
Jasmin berührte leicht die Tür mit den Fingerspitzen.
„Ich auch“, meinte sie halblaut und wandte sich im selben Moment um.
Patrick war etwas konfus, sah ihr nach, bis er begriff, dass er ihr besser folgen sollte. Jasmin bog schnell um die Ecke. Die Pferde folgten ihr wie zwei junge Hunde, die ihre Mutter nicht verlieren wollten. Patrick hetzte hinter ihr her und wäre beinahe gegen Toms Hintern geknallt. Im letzten Moment bremste er sich, mit Blick auf den dichten Schweif, und verzog das Gesicht. Doch als er an dem Pferd vorbeiblickte, sah er, dass Jasmin sich damit abmühte, einen Sattel aus dem Schuppen zu ziehen. Er schüttelte den Kopf und war mit einigen wenigen Schritten bei ihr.
„Warte, ich mach das!“ Patrick griff zu und konnte kurz in die Augen des Mädchens sehen. Sie hätte nie auch nur den Hauch einer Chance gehabt, den schweren Sattel auf das Pferd zu hieven. Insgeheim wusste sie das auch, dennoch versuchte sie es immer wieder und war zornig, wenn es doch nicht ging. Jasmin sah den strafenden Blick ihres Gegenübers, dem es keine Mühe bereitete, den Sattel hochzuheben. Dafür ballte sie kurz die Fäuste. Ihr Ärger dauerte nur Sekunden, denn Patrick überlegte nicht lange,
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