Whisper (German Edition)
Gefühls nachgeben?
Es blieb kurzzeitig.
Mit ein paar wenigen Schritten war sie bei dem Palomino, brachte sie in die Nähe eines Baumstumpfes und stieg auf ihren Rücken. Sanft streichelte sie das Tier.
„Du bist dir darüber klar, dass du keinen Sattel und auch kein Lenkrad hast?“ Dabei hob Patrick seine Zügel, nachdem er in den Sattel gestiegen war, und glaubte fest daran, dass Jasmin das tun würde, was seiner Meinung nach das Richtige war. Zu absurd erschien ihm die Idee, auch nur einen Gedanken an die Vögel zu verschwenden. Doch sehr schnell wurde er eines Besseren belehrt.
Jasmin strich über den Hals des goldenen Pferdes und legte einige Mähnenhaare von der linken, auf die füllige rechte Seite.
„Mach, was du glaubst tun zu müssen“, erklärte Jasmin leise und sah dabei vorsichtig auf. Ihr Blick richtete sich auf die beiden schwarzen Vögel. Sie spürte Mystery unter sich, rahmte sie mit ihren Beinen ein. Auch mit Whisper war sie früher oft ohne alles geritten. Allerdings nur auf der Koppel, nicht in freiem Gelände. Dennoch war ihr das Gefühl vertraut. Und es war ihr Gefühl, welches über allem stand. „Wenn du unbedingt zur Ranch reiten willst, dann reite. Ich hoffe, du kennst den Weg und ich hoffe für dich, dass du es schaffst, Tom zu überzeugen.“
Damit ritt sie los, ohne wirklich etwas zu tun. Die Vögel krächzten auf, flogen vor ihr in den Wald und Jasmin dachte gar nicht daran, auf Patrick zu warten, während Tom nicht darüber nachdachte, über seinen Reiter nachzudenken. Auch er setzte sich in Bewegung … hinter Mystery her.
Patrick versuchte ihn mit den Zügeln irgendwie daran zu hindern. Allerdings hatte er die Dinger noch nicht mal richtig in der Hand, und es fehlte ihm die Erfahrung und die Geschicklichkeit, sie sofort richtig zu ergreifen und einzusetzen, weswegen Tom alle Freiheiten der Welt hatte und sie auch nutzte. Patrick musste sich mit einer Hand am Horn festhalten, um nicht runterzufallen, zog am linken Zügel, während der Rechte meterweit durchhing. Sein schnell hintereinander ausgesprochenes „hohoho“, da Tom in Trab gefallen war, brachte Jasmin leicht zum Schmunzeln.
„Verdammt, Jasmin“. Die Stimme des Jungen klang nicht mehr wütend, sondern verständnislos. Verzweifelt hielt er sich am Sattel fest und war froh, als Tom endlich wieder in Schritt fiel. Eine Gangart, die er nun schon seit vielen Kilometern kannte.
„Jasmin!“ Sein Ruf wurde eindringlicher, als sie überhaupt nicht reagierte. „Zum Kuckuck, Jasmin! Kreuz Teufel. Bist du immer so stur?“
Das Mädchen hielt kurz an und wartete, bis Tom an ihrer Seite war.
„Wo ist dein Problem?“, fragte sie sanft.
„Wo mein Problem ist?“ Patrick schnaufte böse. „Mann, Jasmin, wir sitzen hier mitten in der Wildnis, umgeben von Grizzly, Braunbär, Puma und Co. Judith ist schwer verwundet, Kino kann nicht laufen und sie alle sind in der Hütte eingeschlossen. Niemand weiß, wo wir sind. Man sucht uns hoffentlich! Vermutlich an der völlig falschen Stelle. Und du reitest zwei schwarzen Vögeln hinterher, in dem Wahn irgendwas ´sehen` zu können, was nicht ist. Kein Wunder, dass man dich in München von einem Psychiater zum Nächsten geschickt hat. Das ist doch nicht normal.“
Jasmin sah ihn eine Weile wortlos an. Ja, diese Worte waren ihr nicht unbekannt. Der Inhalt mochte hier ein anderer sein, der Sinn war dennoch wie in München genau derselbe. Es stimmte sie traurig. Oh, wie schnell hatte sie die Realität doch wieder eingeholt. Das Gewicht solcher Worte war vor nicht allzu langer Zeit tonnenschwer auf sie hernieder gedonnert. Sie hatte sich gesträubt, sie zu hören, sich dagegen gewehrt, aber die Chance war verschwindend klein gewesen. Die einzige Möglichkeit. Nicht mehr zu sprechen. Ihre Gedanken waren ihre einzige Freiheit gewesen, die man nicht bombardieren konnte. Jasmin seufzte auf. Patricks Worte waren vielleicht nicht ganz so schwer, aber für sie kaum zu ertragen.
„In meinem „Wahn“ ja?“ Jasmin senkte den Blick für Augenblicke. „Du hattest gestern eine fremde Stimme in deinem Kopf. Wahn? Heute Morgen haben uns genau jene zwei Vögel vor den Wilderern gewarnt. Auch wieder Wahn? Die Stute, auf der ich gerade sitze, sie taucht auf, einfach so, weil Palominos millionenfach in den Wäldern rummarschieren. Wahn, nicht? Du rennst dem hinterher, was dir bisher gezeigt worden ist, und glaubst an das, was man dir gesagt hat, was du glauben sollst. Der Zeitpunkt auf sich
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