Whisper (German Edition)
heftig, dass er nach hinten flog. Selbst auf dem Hosenboden sitzend, kroch er noch einige Meter nach hinten und starrte blass wie ein Gespenst in das junge Antlitz, welches ihm plötzlich entgegenblickte.
„Gütiger Himmel“, kam es aus ihm raus, „was um alles in der Welt …“ Erst Sekunden später erkannte er das Gesicht, glotzte sie reglos an, wobei sein Mund mehrmals auf und zu klappte. Irgendwann blieben seine Lippen offen und er stierte das Mädchen an, als wäre sie gerade vom Himmel gefallen.
Jasmin ließ sich nicht weiter beirren, sondern trat auf den Schwerverletzten zu, ging vor ihm in die Hocke und versuchte neben dem ganzen Blut, das ihm über Kopf und Arm lief, zu eruieren, wo die Verletzung ihren Ursprung hatte und wie sie aussah. „Können Sie mich verstehen?“, fragte sie den Mann vorsichtig, glaubte nicht daran, dass er reagieren würde, erkannte aber nach einiger Zeit, wie seine Augenlider flackerten. Sekunden später versuchte er die Augen zu öffnen.
Jasmin verzichtete auf eine Antwort, sondern sprang hoch und war mit wenigen Schritten beim Auto. Sie wusste noch genau, wo sie das Satellitentelefon versteckt hatte, griff danach und blickte auf das Display. Das Gerät lief noch immer auf Stand-by. Hastig wählte sie den Notruf, doch noch bevor sie auf die grüne Taste drückte, sah sie sich um. Ja, wo war sie überhaupt? Was sollte sie denen beim Notruf sagen? Verletzten mitten im Wald gefunden? Fichten rundum, links ein Gebüsch, rechts einige Steine, übersät mit Moos? Noch während sie überlegte, wie sie ihre Position am besten beschreiben konnte, fiel ihr Blick auf das Funkgerät. Nahezu jedes Auto war mit Funk ausgestattet, jetzt wurde ihr klar warum. Hier draußen war es vermutlich leichter, sich mit Funk zu verständigen, als mit Telefon.
Eilig griff sie nach der Sprechmuschel. Ja, und wie verwendete man das nun? Gab es da einen Ein – und Ausschaltknopf? Dort war ein Schalter mit einem Lämpchen. Probeweise drückte Jasmin darauf und sah, wie eine Lampe grün aufleuchtete. Zum Sprechen auf den Knopf am Mikro … Nannte man das überhaupt Mikro? Egal! Zum Sprechen drauf drücken, zum Hören loslassen. Jasmin versuchte es. Mehr als schiefgehen konnte es nicht. Zumindest sah man das im Fernsehen immer wieder, und ein bisschen Wahrheit musste man doch auch in einem Film verarbeitet haben.
„Hallo. Hier ist Jasmin, ist da jemand? Kann mich jemand hören?“
Sie ließ den Knopf los und lauschte. Leises Rauschen kam aus dem Gerät. War das normal? Musste sie an irgendwelchen anderen Knöpfen drehen? Sie hatte keine Ahnung. Weshalb sie es nochmal versuchte.
„Hallo, hört mich jemand. Jaro, Kinsky, hier ist Jasmin. Ich brauche dringend Hilfe. Hallo, haaaaallloooo!“ Wieder ließ sie den Knopf los. Es knisterte im Gerät.
„Jasmin?“
Ihr Herz machte einen Hüpfer, als sie die Stimme hörte.
„Ja, hier Jasmin. Ich brauche dringend Hilfe. Einer der Wilderer ist schwer verletzt. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind, irgendwo mitten im Wald, aber der Mann verblutet.“
Es knackste wieder in dem Gerät.
„Wir sind gleich bei dir, Jasmin. Dauert nur noch Minuten.“
„Super, danke.“
Nein, sie versuchte nicht zu erfahren, woher man wusste, wo sie war, und wie es sein konnte, dass man sich schon in ihrer Nähe befand. Sie griff nach etwas, was aussah wie ein Hemd und krabbelte wieder aus dem Auto. Dabei stieß sie etwas heftig an den anderen Mann, der direkt hinter ihr stand, die Hand neben ihr ausstreckte und auf den hinteren Sitz deutete.
„Darunter!“ Jasmin registrierte, dass nicht nur seine Hand zitterte, sondern auch seine Stimme. „Der Verbandskasten!“
Als Jasmin kurz zu ihm sah, erkannte sie, dass der Mann nicht nur verschmiert und schmutzig vom Blut seines Freundes war, sondern auch selbst eine Verletzung hatte. Von seiner linken Hand lief Blut über die Finger und tropfte zu Boden. Erst jetzt bemerkte das Mädchen, dass er sich irgendein Kleidungsstück um den Unterarm gewickelt hatte, vermutlich um die Blutung zu stoppen. Was immer es auch gewesen war, es hatte sich gelöst und hing nun wie ein Lappen von seiner Hand. Ein zerfetztes Hemd kam zu Vorschein.
Jasmin riss sich von dem Anblick los und kletterte ein weiteres Mal in das Auto. Irgendwo hinter oder auch unter dem Sitz musste der Verbandskasten liegen. Energisch zwängte sie sich durch die Vordersitze durch und griff suchend unter den Beifahrersitz. Erst nach einer Weile fühlte sie einen Griff, denn
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