Whisper (German Edition)
missachtet worden war. Kino, er hatte den Zugang zu ihr gefunden und den Hebel in Bewegung gesetzt. Vermutlich war er der ausschlaggebende Grund für ihre Veränderung. Für ihn hatte sie ihre dicke Mauer, die sie um sich gebaut hatte, bröckeln lassen. Die Indianer hatten ihre eigene Art mit ihrem Lebensraum, und auch manchmal eine etwas seltsame Art mit ihrem Umfeld und den darin auftauchenden Menschen, umzugehen. Etwas, was man mögen oder auch ablehnen konnte. Kinsky war sich in einem Punkt dennoch ziemlich sicher. Auch wenn Jasmin noch nie zuvor in ihrem Leben einen Indianer gesehen oder mit einem zu tun gehabt hatte, sie handelte intuitiv wie einer, sonst wäre nie möglich geworden, was sie zustande gebracht hatte.
Ihr erster Weg führte sie auf die Singing Bird Ranch, wo Jaro und Kinsky den Pferdetransporter abkoppelten, die fremden Pferde in den Stall brachten und schnell versorgten. Erst dann setzten sie ihren Weg fort.
Erst als der Wagen über die Schotterstraße der Six Soul Ranch fuhr, richtete sich Jasmin auf und wurde aufmerksamer, während Patrick neugierig auf das Ranchgebäude blickte. Hier hatte alles begonnen, an jenem Morgen, als sie aufgebrochen waren. Mann, wenn er wieder zuhause war, hatte er definitiv ein riesiges Abenteuer zu erzählen. Die letzten beiden Tage waren kein Spaziergang gewesen, und er ahnte, dass es in seinem Leben bestimmt noch andere Dinge geben würde, die man unter den Sammelbegriff ´Abenteuer` packen konnte. Aber es würde niemals etwas Vergleichbares geben. Ein Gefecht real zu erleben war wirklich etwas ganz anderes, als es auf dem Bildschirm zu verfolgen oder auch zu beeinflussen.
Der Pick Up stand noch nicht richtig, als sich bereits die Haustür zum Wohngebäude öffnete. Susanna hechtete über die Veranda, nahm die Stufen mit einem Sprung und rannte auf den Wagen zu. Hinter ihr versuchte Janina Bobby etwas zu bremsen, der in demselben Elan über die Veranda fliegen wollte, aber mit Sicherheit irgendwo die Bodenhaftung verloren hätte.
Jasmin stieg eher langsam aus dem Auto. Die vorangegangen Stunden steckten noch in ihren Knochen und schon während der Fahrt war die Müdigkeit durch ihren Körper gekrochen. Tatsachen, auf die Susanna wenig Rücksicht nahm. Kaum war sie in der Lage nach dem Mädchen zu greifen, zog sie sie auch schon stürmisch in ihre Arme. Sie begrüßte und liebkoste sie überschwänglich, schnappte sich auch Patrick, kaum dass er in ihrer Reichweite war, um ihm dasselbe Begrüßungsritual zukommen zu lassen. Stunden der Sorge hatte die Frau durchgestanden. Die Kids allein im Wald, es hätte weiß Gott was passieren können. Allein das Wissen, alle gesund zurückzuerhalten, hatte sie mit Janina durch die Küche tanzen lassen. Aber jetzt zwei von ihnen gesund in ihre Arme schließen zu können … Susanna hielt sich nicht zurück, sondern ließ den Tränen freien Lauf. Jaro wartete geduldig an der geöffneten Fahrertür, während Kinsky beim Auto stehengeblieben war und seine Frau lächelnd beobachtete. Susanna passte in diese Gegend, wie ein Wal ins Meer. Sie war stark, machte vieles selbst, hatte eine unbeugsame Art und normalerweise keine Angst vor nichts. Diese Form von Gefühlsausbrüchen war er bei ihr nicht gewohnt. Zu selten geschah es, dass der unumstößliche Berg von Six Soul ins Wanken geriet, und es verriet ihm einmal mehr, wie sehr seine Frau ihre Schützlinge liebte, die man Six Soul anvertraut hatte.
Als sich dann Bobby plötzlich von Janina losriss, auf seinen Vater zulief, auf seine Mutter deutete und „Schau mal, Daddy, Mama weint!“ rief, löste sich Susanna von den Kids und wischte sich schnell über das Gesicht.
„Hast du dir wehgetan, Mummy?“ Die Stimme des kleinen Kerls gab der Situation einen heiteren Anstoß. Susanna wandte sich ihm zu, schnappte den Kleinen und nahm ihn auf den Arm.
„Nein, Mummy hat sich nicht wehgetan.“
Der Kleine putzte ihr fast schon ein wenig grob die Tränen aus dem Gesicht.
„Aber warum weinst du?“
Susanna musste lächeln. Der kleine Mann hatte einfach noch keine Ahnung von Wilderern, Abenteuern, Gefahr und ähnlichen Dingen. Für ihn war die Welt noch heil und in Ordnung. Eine Zeit, die es galt, möglichst lange zu erhalten.
„Mummy hat sich Sorgen um Jasmin und die anderen gemacht und freut sich so, dass sie wieder da sind. Das ist nicht weiter schlimm.“
Bobby strampelte, sodass ihn seine Mutter wieder zu Boden ließ. Schnell trugen ihn seine kurzen Füße zu Jasmin, die
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