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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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sie fest umfasste und kräftig daran zog. Mit einem klappenden Geräusch löste sich etwas und Jasmin holte einen Koffer hervor, auf dem ein großes rotes Kreuz klebte. Hastig zog sie den Verbandskasten an sich, wollte sich schon zurückwuchten, als ein entsetzter Schrei sie herumfahren ließ. Das Mädchen hatte keine Ahnung, wie es klang, wenn eine Waffe entsichert wurde, aber sie wusste das entsprechende Geräusch trotzdem genau einzustufen. Heiß durchzuckte sie es. Wie von der Tarantel gestochen, wuchtete sie sich aus dem Auto, warf den Koffer zu Boden und war mit zwei Schritten bei dem Mann, der versuchte, mit einer Hand sein Gewehr in Position zu bringen und abzufeuern. Dabei zitterte er so heftig, dass ihm die Waffe aus der Hand fiel. Der Schuss löste sich, doch die Kugel traf irgendwo einen Baumstamm. Jasmin erschrak heftig, fühlte, wie ihr Herz einen dreifachen Salto vollführte, und ließ ihren Blick nahezu automatisch durch den Wald gleiten.
    Er war wirklich nicht weit weg, stand dort auf zwei Beinen, ließ sich aber in dem Moment nieder, als er sie bemerkte. Brummend wackelte das mächtige Raubtier mit dem Kopf und scherte mit einer schnellen Bewegung mit der Pranke über den Boden. Sand wurde aufgewirbelt, Dreckfetzen flogen ihr entgegen. Jasmin registrierte, wie sich der Mann nach seiner Waffe bückte, und gab der erst mal einen gekonnten Tritt, sodass sie scheppernd zwischen die Büsche flog, schnappte den Mann am Ärmel und drückte ihn rücklinks gegen die Autotür.
    „Er wird uns nichts tun“, schrie sie den Mann an. „Lass ihn in Ruhe. Er wird uns nichts tun.“
    „Aber, er …“
    Das Mädchen ließ ihn nicht zu Wort kommen. Sie sah die Angst in seinen Augen, die Verzweiflung, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Sein letztes Zusammentreffen mit einem Bären war schmerzhaft gewesen, auf ein zweites Mal konnte er gut und gerne verzichten. Jasmin schnappte ihn an der Kleidung und zerrte heftig daran.
    „Er hat allen Grund dich zu töten!“, schrie sie dem Mann entgegen. „Ihr habt dort draußen genug Schaden angerichtet. Aber er wird die Situation nicht ausnutzen, weil es für ihn noch sowas wie Fairness gibt, die bei euch leider fehlt. Lass ihn zufrieden. Er ist kein Mörder, er will nur das schützen, was ihm wichtig ist!“
    Der Mann war nicht mehr in der Lage, sich auf seinen zwei Beinen zu halten und sackte zu Boden, klammerte sich an die Autotür, um nicht schmerzhaft zu fallen, sank aber schließlich komplett in den Dreck. Jasmin warf nochmals einen Blick auf den Bären, der zwischen den Bäumen stand und laut prustend am Boden herumschnüffelte.
    Die Raben werden dich leiten, der Grizzly beschützen.
    Er hatte sie beschützt. Im Wald, als man auf sie geschossen hatte. Er war erschienen, um sie zu schützen. Jetzt war er gekommen, um nach dem Rechten zu sehen.
    Jasmin fischte nach dem Erste-Hilfe-Koffer, öffnete ihn, zog sich Gummihandschuhe über und griff nach den Tüchern, die dort sauber verpackt drauf warteten, verbraucht zu werden. Eine Schere fand den Weg in ihre Finger. Nochmals warf sie einen Blick auf den Bären, bevor sie sich dem schwer verletzten Mann zuwandte, der nach wie vor an der Karosserie des Wagens lehnte. Mit einem heißen Gefühl stellte sie fest, dass sie nicht viel Ahnung von Erste Hilfe hatte. Einmal hatte sie einen Kurs besucht, war aber nie ernsthaft mit solchen Dingen konfrontiert gewesen. Doch der Verstand sagte ihr, dass nichts zu tun, noch schlechter war, als zumindest versuchsweise zu helfen, auch wenn es vielleicht nicht ganz richtig war. Mit spitzen Fingern und einem gewissen seltsamen Gefühl in der Magengrube zerschnitt sie die Kleidung des Mannes und versuchte ihm sein Hemd vom Körper zu streifen, was ihr nur halb gelang. Aber es reichte, um die schweren und tiefen Kratzspuren sichtbare werden zu lassen, die der Bär hinterlassen hatte. Der Mann hatte einen Prankenhieb abgefangen, der quer über Kopf und Gesicht verlief und dann in seinen Brustkorb endete, wie auch einen, der Schulter und Arm komplett zerfetzt hatte. Jasmin wurde übel, als sie die Überbleibsel sah, die dem Mann vom Körper hingen. Er musste tierische Schmerzen haben. Sich schwer beherrschend wickelte sie ihm ein Tuch über den gesamten Oberarm, ein Weiteres über den Unterarm. Mit einem anderen Tuch wischte sie das Blut im Gesicht beiseite und wickelte ihm eines um den Kopf. Recht viel mehr wagte sie nicht zu tun, denn der Mann stöhnte bei jeder Berührung heftig, was ihr

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