Whisper (German Edition)
und Jasmin glaubte zu erkennen, dass Christina versuchte, etwas mit Patrick zu flirten. Sie machte das in einer auffallend dezenten, schüchternen aber charmanten Weise, die ihr aber ausgesprochen gut stand. Kinsky selbst ließ es sich nicht nehmen, mit den Kids auf Männerart zu blödeln, und die Stimmung war so ausgelassen und spaßig, dass sie fast die gesamte Nacht um das Lagerfeuer saßen.
Als es ruhiger wurde, vertiefte man sich in Gespräche und Kino bemerkte, dass das der Punkt war, an dem es für Jasmin unangenehm wurde. Sie hatte ihre Geschichte erzählt, aber sie verzichtete auf weitere Fragen, die sie nicht beantworten wollte. Kino respektierte das und verabschiedete sich mit ihr von der Gruppe mit der Begründung, dass sie einen weiteren Weg hätten. Die Tatsache, dass Jasmin auf der Singing Bird Ranch verweilte, war längst kein großes Thema mehr.
Nach fast einer Woche hatte sich sogar ein geordneter Tagesplan auf Six Soul gefestigt. Die Kids arbeiteten im Team. Keiner hatte mehr ein Problem mit der Stallarbeit oder damit, Susanna in der Küche zu helfen, auf Bobby aufzupassen und mit ihm zu spielen, oder Kinsky bei Reparaturarbeiten am Hof zu helfen. Selbst Christina versuchte sich in der Handhabung der Motorsäge, gab sie aber lachend an Patrick ab, als sie einen Pfosten mehr von schräg nach schief abgeschnitten hatte. Es wurde immer herzlich gelacht, zugegriffen, wo Hilfe nötig war und niemandem war es zu blöd, für den anderen da zu sein. Die Atmosphäre, die in der ersten Zeit noch gespannt und heiß gewesen war, hatte sich rundum erfrischend verändert und konnte fast als familiär bezeichnet werden.
Stefan gab sich alle Mühe den Kids das Reiten beizubringen, während Judith am Reitplatzrand zusah und ihre Kommentare dazu abgab, die manchmal derart dumm waren, dass vor lauter Lachen an ein normales Reiten fast nicht mehr zu denken war. Trotzdem schaffte es Stefan die drei Grundgangarten, Schritt, Trab und Galopp zu festigen. Die Kids erlernten ihre Pferde in jeder Geschwindigkeit zu manövrieren, brachten kleinere Stopps zustanden und hatten bald das Rückwärtsrichten ebenso drauf, wie sie es langsam aber sicher fühlten, welcher Fuß vom Pferd in welcher Gangart wann am Boden war. Das Gefühl für das Wesen Pferd verbesserte sich erheblich.
An jenem Tag, als Kino, Jasmin und Jaro einen Teil der Rinderherde nach Six Soul brachten, hatten die Kids die Möglichkeit, ihr Können ein wenig unter Beweis zu stellen. Sie trieben die Rinder in den richtigen Korral, teilten sie und brachten die eine Gruppe auf eine kleinere Weide, den anderen Teil auf die größere. Kino war die Arbeit gewohnt, reagierte schon, bevor ein Jungrind überhaupt auf die Idee kommen konnte, auszubüchsen, und die Kids gaben sich alle Mühe, es ihm gleich zu tun, beobachteten ihn und stellten tausende von Fragen. Man erkannte, dass die Rancharbeit hart war, keine Schonung kannte und bei jedem Wetter durchgeführt werden musste. Es gab keine geregelten Arbeitszeiten, keinen Gong, bei dessen Geräusch man den Stift einfach fallen ließ. Was gemacht werden musste, musste gemacht werden. Keinen von der Gruppe störte dies. Zudem kam kaum jemand auf die Idee, auf die Uhr zu sehen, so sehr schnell verlief die Zeit. Für die Kids ein eigenes Erlebnis, für Kino und Jaro Normalität.
Auch für Jasmin war diese Art von Arbeit neu. Sie hatte vorher nie mit Rindern zu tun gehabt, und es fiel ihr schwer, die Tiere einzuschätzen. Kino beobachtete sie mit Argusaugen, doch ihm wurde einmal mehr vorgeführt, welch einzigartige Fähigkeit Jasmin anhaftete. Tom war in Sachen Rinderarbeit ein Profi, aber im Normalfall musste man ihm das sagen. Er war nicht der Typ, der sich von allein in die Arbeit stürzte. Für Jasmin tat er es. Er zeigte ihr, wann sie zu reagieren hatte, welches Rind im Begriff stand, sich zu verdünnisieren, und half ihr damit, die Herde richtig einzuschätzen. Reagierte sie nach seinem Ermessen richtig, ließ er sich führen und arbeitete mit einem Elan, den ihm niemand zugetraut hätte. Kino kannte das Wort Team in einer Mensch – Tierbeziehung. Aber mit Tom und Jasmin gehörte dieser Ausdruck neu beschrieben und definiert. Das, was Jasmin und Tom zeigten, konnte man nicht erlernen. Das gab es, oder gab es eben nicht.
Ob Jasmin darüber Bescheid wusste, das war zu bezweifeln. Fest stand, sie besaß eine eigene Aura und Tom bewegte sich darin nur allzu gerne.
Mehrfach wechselten Kino und sein Vater einen
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