Whisper (German Edition)
vermutlich noch nicht ganz da, und trotzdem fiel sie ihm um den Hals, drückte sich an ihn, sodass Kino seine Arme um sie schließen konnte. Er spürte sie an seiner Haut, glaubte ihr klopfendes Herz zu fühlen, und wusste, ab diesem Zeitpunkt wie es war, wenn man jemanden liebte und festhalten wollte. Sein Herz schlug heftig für sie, während im Moment ein LKW durch seine Eingeweide raste. Weglassen? Nein! Er würde Wege finden, so unmöglich sie auch sein sollten, er würde sie finden. Jasmin gehen zu lassen, sie weit weg zu wissen … allein der Gedanke daran tobte wie eine Seuche durch seinen Körper, die bekämpft werden musste. Jasmin war für ihn nicht einzigartig, sondern derzeit das Einzige, was für ihn wichtig war. Es gab Meinungen, Illusionen, Ideen, Preise, aber um keinen Preis der Welt würde er sie wieder hergeben. Um keinen.
„Fahren wir heim!“, meinte er sanft, strich ihr über den Rücken und spürte nach einer Weile, wie sie sich von ihm löste und den Weg in sein Gesicht suchte.
„Heim?“
Es war ein sanfter, gehauchter Kuss, den er ihr auf die Stirn drückte.
„Die Singing Bird Ranch! Tom nehmen wir auch mit. Ich will dich nicht schon wieder alleinlassen!“
Mit einer vorsichtigen Bewegung strich er über ihr Gesicht und durchfuhr mit den Fingern ihr Haar. Es roch frisch gewaschen.
„Okay“, meinte sie leise und kam mit ihm gemeinsam auf die Beine. „Ich mache Tom fertig.“
Kino holte sich ihren Blick, indem er mit beiden Händen ihren Kopf festhielt und in ihre Augen tauchte. Sie waren leicht gerötet, dennoch konnte er den Glanz darin entdeckten, den er so sehr bei ihr liebte. Irgendwie kam ihm der Gedanke, dass es derselbe Blick war, den sie mit Whisper getauscht hatte. Er beinhaltete so derartig viel. Worte? Konnte man in Worte fassen, was Jasmin mit ihrem Blick zu senden vermochte? Das Gefühl, welches sich in seinem Körper ausbreitete, als er den Stall verließ, hatte keine Bezeichnung. Jedenfalls fand er so schnell keinen, suchte auch nicht danach. Vielleicht würde ihm irgendwann das richtige Wort dafür einfallen, irgendwann, nicht jetzt.
Draußen stieg er in den Pick Up, koppelte den Transporter an und zog ihn in die Mitte des Hofes. Die Laderampe quietschte beim Herunterlassen leicht. Jasmin trat mit Tom gerade aus dem Stall, als Kino zum Haus zurücklief, um seinem Vater und seinem Großvater zu sagen, dass er nach Hause wollte. Keiner widersprach ihm. Es war, als würden es alle anderen bereits wissen.
Kino atmete auf der Veranda stehend kurz durch. Nein, er konnte es nicht verleugnen. Seine Gefühle für Jasmin waren extrem. Er spürte sie von der Haarwurzel mit zur kleinen Zehe und wollte das um keinen Preis der Welt mehr missen. Mit einem warmen Gefühl beobachtete er, wie sie das Pferd verlud. Normalerweise zickte Tom beim Verladen ganz gerne, ließ sich bitten, um dann erst nach einer Weile, nach vielem Hin und Her, einzusteigen. Angst hatte er nicht, sondern fand Gefallen daran, die Leute um sich herum zu ärgern. Für Jasmin bestand dieses Problem nicht. Tom ging nahezu selbstständig in den Hänger hinein, sodass sie ihn nur zu verschließen hatte. Ohne Kino zu bemerken, begab sie sich zum Auto und stieg ein.
Jasmin war hergekommen, um auf Six Soul das ganze Programm zu durchlaufen. Diesmal war es völlig aus den Fugen geraten. Ein klarer Plan war nicht mehr vorhanden und trotzdem war viel mit den Kids passiert. Jasmin, sie begleitete ihn „heim“. Zu seinem Vater, seinem Großvater, zu ihm. Wie sollte man dieses extrem starke Gefühl beschreiben? Sie gehörte dazu, zu seiner Familie. Die Tatsache, dass alles nur von geraumer Zeit, von kurzer Dauer war, schob er großzügig von sich weg. Er wollte sie bei sich wissen, sie berühren, mit ihr zusammen sein. Deutschland! Noch war das Thema weit weg, aber es würde kommen und vielleicht würde ihm etwas einfallen, was er tun konnte, damit sie blieb. Aber seine Chancen standen schlecht. Jasmin Bernhard war deutsche Staatsbürgerin und einmal zurück in ihrer Heimat, trennten sie hunderte von Kilometern. Sie war minderjährig, hatte Pflegeeltern, die für sie bestimmten. Alles Dinge, die nicht für ihn sprachen und trotzdem galt für ihn das Jetzt. Sie fuhr jetzt mit ihm heim und gehörte jetzt zur Familie. Was in zwei Wochen war, würde die Zeit zeigen. Aber Kino war klar, dass sein Herz bluten würde, wenn sie ging. Er mochte sie so sehr, hatte so starke Gefühle für sie, wollte ihr gern mehr von seiner
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