Whisper (German Edition)
Unglaublichkeit war deutlich zu spüren und doch war es Jasmin, die schon dabei war, die Milch vom Boden aufzuwischen, um der Situation wieder einen normalen Verlauf zu geben. Warum sie getan hatte, was sie getan hatte, wusste sie selbst nicht. Es war ihr spontan in den Sinn gekommen und sie hatte sofort umgesetzt, was sie sich gedacht hatte. Judiths Gesicht … man konnte es mit Gold nicht aufwiegen. Einfach köstlich. Ob ihre Aktion allerdings zielführend war, würde sich erst zeigen. Nicht nur Stefan, auch Kinsky wusste, dass er auf Jasmin gesondert aufzupassen hatte, denn Judith würde sich keine Gelegenheit entgehen lassen, ihre Macht zu demonstrieren und einmal mehr mit ihrer Bösartigkeit auf Jasmin loszugehen, die sich im Grunde nur sehr schwach wehren konnte.
Trotzdem empfand er Stolz für die ausgegrenzte Jasmin. Es war schon generell nicht leicht, sich gegen eine Welt zu stellen, die nichts von ihr wissen wollte. Aber in ihrer Lage aktiv zu zeigen, dass man sich nicht alles gefallen lassen wollte, war schon bemerkenswert. Kinsky ahnte, dass in dem Mädchen noch ganz andere Dinge steckten, die es einfach zu entdecken galt. Es würden heiße und spannende drei Wochen werden.
Jasmin half noch, den Frühstückstisch aufzuräumen, als Susanna sie um kurz vor neun aus dem Haus schickte.
Bis auf Judith waren alle in Aufbruchsstimmung. Der Tag hatte die Ranch inzwischen hell erleuchtet und zum Leben erwachen lassen. Jasmin wurde klar, dass sie die Atmosphäre und Stille des Landstriches und der Wildnis nur morgens erleben konnte. Tagsüber war das schlicht unmöglich, da man schon jetzt dafür sorgte, dass einem auf gar keinen Fall langweilig werden konnte.
Kinsky setzte sich hinters Steuer, während Stefan Jasmin auf den Beifahrersitz schob. Sie zierte sich zwar etwas, wollte sich vielleicht weigern, doch Stefan überzeugte sie mit wenigen Worten, dass das der bessere Platz war, als hinten inmitten der Gruppe. Er setzte sich zu ihr, da die Frontbank des Pick Ups für mehrere Personen konzipiert war. Somit blieben die vier Kids hinten unter sich und ihm war es möglich, Jasmin von den anderen abzuschirmen.
„Muss Judith wirklich hierbleiben?“, fragte Christina irgendwann zaghaft, da sie nach wie vor nicht ganz glauben konnte, dass man ihre neu gewonnene Freundin wirklich den ganzen Tag im Schafstall arbeiten lassen wollte. Doch Kinsky erstickte ihre Hoffnungen im Keim.
„Ich habe gesagt, dass sie heute zur Strafe den Stall machen wird. Vielleicht ist es für sie eine Lehre, in Zukunft freundlicher zu sein, und für euch, erst gar nicht unfreundlich zu werden.“
Kinsky startete den Wagen und lenkte ihn vom Hof, hinaus auf die staubige Straße, durch die vielen Schlaglöcher durch.
„Wo fahren wir genau hin“, wollte nun Patrick wissen, der diesmal sogar auf seinen Gameboy verzichten musste. Kein Gepäck, hatte es geheißen.
„Das sagte ich schon gestern. Zum Elk Mountain.“
„Und wo ist dieser Elk Mountain?“ Woher sollte ein Stadtmensch wie Patrick wissen, dass ein Elk Mountain kein Restaurant um die Ecke war?
.„Etwa eine Autostunde entfernt von hier.“
„Und wie stellt ihr euch das vor, wie wir die Pferde, die wir holen sollen, hierherbringen?“
Stefan musste grinsen. Er erinnerte sich noch an sein erstes Mal. Damals hatte das in seinen Kopf auch nicht reingepasst.
„Ganz einfach“, erklärte Kinsky, „ihr werdet sie reiten!“
Patrick verzog das Gesicht.
„Gestern gab es noch die Variante des Zu-Fuß-Gehens. Ist die für heute gestorben?“
Kinsky sah kurz nach hinten und zwinkerte Stefan munter zu.
„Kein Thema. Euch stehen in etwa acht Stunden bevor. Du kannst es gerne zu Fuß versuchen, wirst aber dein Pferd dabei mitführen.“
„Ich muss es mitnehmen?“
„Natürlich, was dachtest du denn?“
Patrick wollte schon protestieren, verhielt sich aber dann doch jedes weitere Wort. Vielleicht war es intelligenter, sich die Sache doch erst mal anzusehen.
„Ich bin noch nie geritten“, kam ihm nun Christina zu Hilfe. „Ich gehe lieber zu Fuß, dann kann ich nicht runterfallen.“
Kinsky musste lachen.
„Auch gut. Geht nur alle zu Fuß. Kein Problem.“
Stefan schüttelte den Kopf. Ja, auch er hatte sich damals eingebildet, zu Fuß gehen zu müssen, dann hatte der Sattel gelockt. Alles hatte ihm wehgetan. Auch das, was es in seinem Körper gar nicht gab. Die Möglichkeit, sich vom Pferd tragen lassen zu können, hatte ihn schnell entscheiden lassen. Acht
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