Whisper (German Edition)
Frage, sondern trat einmal mehr in sich gekehrt, versteckt hinter ihrer Kapuze, auf die Gruppe zu, wodurch man sich veranlasst fühlte, sie doch anzustarren. Wäre sie mit der Menge mitgegangen, niemandem wäre auch nur irgendwas aufgefallen. Aber durch ihr Zögern stand sie wieder einmal im Mittelpunkt. Himmel Herrgott, wie sie es auch machte, sie machte es falsch.
„Nun komm schon Jasmin. Pferde beißen nicht. Zumindest unsere nicht.“
Freundschaftlich schob Stefan ihr die Hand in den Rücken und schob sie vorwärts, um ihr etwas mehr Sicherheit zu geben. Für ihn erschien es fast so, als würde sie den Kontakt mit den Pferden meiden wollen. Dabei hatte er ihre Zeichnungen gesehen. Bilder von einem Pferd, was darauf hindeutete, dass Pferde eine Rolle in ihrem Leben gespielt hatten, oder immer noch spielten. Aber welche? So wie sie sich verhielt, wollte sie mit Pferden definitiv nichts zu tun haben. Stefan spürte, wie sie durchatmete. Ach, Jasmin, es wird ein Ritt, gemütlich, im Schritttempo. Keine Angst, dir passiert nichts. Worte, die unausgesprochen blieben. Hatte sie wirklich Angst? War sie einst vielleicht vom Pferd gefallen? Hatte das Pferd sich dabei verletzt, oder hatte sie sich wehgetan?
Kinsky unterhielt sich gerade mit dem schwarzhaarigen Burschen, verstummte aber, als Jasmin näher trat. Ihm entging weder das Verhalten der Kids, die sich alle nach ihr umdrehten noch Jasmins Widerwillen, das geplante Vorhaben mitzumachen. So sicher und mutig, wie sie heute Judith Parole geboten hatte, so schüchtern und scheu begegnete sie jetzt dieser neuen Situation. Kinsky war sich sicher, wenn Jasmin gekonnt hätte, hätte sie sich im Auto irgendwo versteckt, um ja nie wieder gesehen zu werden.
„Jasmin“, er warf einen Blick auf den jungen Mann neben sich, „das ist Kino Singing Bird, der Sohn von Jaro, der, der dich gestern vom Flughafen hergefahren hat, du weißt schon.“ Sollte er auf eine Reaktion hoffen? Nein, es würde keine kommen. „Sein Vater, sein Großvater und er bewirtschaften die Ranch westlich von uns und sind unsere einzigen Nachbarn. Kino ist der beste Pferdemann, den ich kenne. Das sagt auch sein Vater. Er reitet alle unsere Pferde ein, bildet sie aus und verkauft sie auch. Diese Woche erwartet uns noch ein Viehtrieb. Wir werden ihm und seinem Vater helfen, Vieh von der Sommerweide zu holen. Also wird es gut sein, den Hintern mit dem Sattel vertraut zu machen.“
Es kam nichts. Kein Zucken, kein Aufschauen, nichts. Stefan stand noch immer etwas hinter ihr, wechselte einen Blick mit Kinsky und deutete dezent zu den Pferden hinüber. Ein Zeichen, dass es mit ihr und den Tieren vielleicht ein Problem geben würde, doch noch bevor irgendjemand entsprechend reagieren konnte, trat der schwarzhaarige Junge, nein, eigentlich war es schon ein junger Mann, so etwa in Stefans Alter, auf Jasmin zu und reichte ihr die Hand.
„Hi!“, grüßte er freundlich, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Stefan hätte es fast nicht geglaubt, aber Jasmin hob tatsächlich, zwar zögernd, aber doch, ihre Hand und legte sie in jene Kinos. Er drückte nicht fest zu, sie schon mal gar nicht, die Kraft hatte sie nicht. Dabei blickte er ihr unablässig, an der Kapuze vorbei, in ihre Augen … etwas, was Jasmin irritierte. Da stimmte was nicht. Es stimmte einfach etwas nicht. Dieser Blick, dieses … normalerweise starrten sie die Menschen an, prüften, ordneten, stellten stille Fragen, erschraken, wichen zurück. Aber er blickte ihr gezielt nur in die Augen. Nichts verriet ein Abtasten, ein Glotzen, ein Fragen, nach dem Warum. Es war das natürlichste „Hi“, welches sie seit Langem gehört hatte, und in ihr tat sich erstmals der Wunsch auf, den Gruß zu erwidern, ließ es aber.
„Kino hat die Pferde für euch fertiggemacht“, erklärte Kinsky nun für alle. „Sattelkunde gibt es erst morgen. Heute sollen die Pferde nach Six Soul geritten werden. Die Pferde kennen den Weg und die Strecke. Ihr werdet lediglich im Schritttempo reiten. Der Westernsattel bietet guten Sitz und man kann sich am Horn festhalten. Stefan war vor Jahren auch mit von der Partie und hat sein Pferd zwei Stunden lang geführt, bevor er in den Sattel gestiegen ist. Heute reitet er so gut, wie er läuft und rennt, und kann über seine eigene Dummheit nur noch lachen. Also, die Pferde haben alle Namen und sind schon lange in unserem Dienst. Sie buckeln nicht, laufen nicht weg und bleiben auch stehen, sollte es einer von euch, freiwillig oder
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