Whisper (German Edition)
Mädchen wusste, was es tat. Sie knetete nicht zum ersten Mal einen Brotteig, hatte ein Geschirrtuch im Hosenbund und zeigte damit deutlich, dass sie schön öfter in einer Küche gewerkelt hatte. Und das bekam Susanna auch während des gesamten Morgens zu spüren. Jasmin wagte sich immer mehr, beobachtete, kombinierte und ging ihr zur Hand. Schon sehr bald hatte das Mädchen kein Problem mehr damit, neben Susanna offen zu arbeiten, die wiederum kein Problem daraus machte, sich nicht mit Jasmin unterhalten zu können. Sie ordnete sanft an und ließ Jasmin wissen, dass sie ihr voll und ganz vertraute. Es gab kein Bekritteln, kein Korrigieren, kein Nörgeln. Susanna erklärte Jasmin, was getan werden musste, doch wie das Mädchen zum Ziel kam, überließ sie ihr selbst. Die Unsicherheit verschwand mehr und mehr, denn Susanna gab zu verstehen, jeden ihrer Handgriffe für in Ordnung zu befinden, und schien sogar erstaunt, über die Geschwindigkeit, mit der sich das Mädchen in der Küche zurechtfand.
Stefan brachte irgendwann die Milch herein, grüßte freundlich und war auch schon wieder verschwunden. Edith kam kurz darauf mit den Eiern. Jasmin blieb ganz kurz in ihrem Gesicht hängen. Schminke? Und das im Stall? Susanna und sie wechselten nur einen kurzen Blick, als Edith wieder verschwunden war, wobei Jasmin direkt ein Lächeln entglitt.
„Unglaublich“, entfuhr es der Frau, die nur den Kopf schütteln konnte. „Die steht echt zehn Minuten früher auf, um sich anzumalen.“ Sie verhielt, als sie die leuchtenden Augen Jasmins entdeckte. War da sowas wie Belustigung zu erkennen?
„Wenn sie das erste Mal in der Küche hilft, muss ich sie wohl bitten, die aufgeklebten Fingernägel und die unechten Wimpern zu entfernen, damit das Brot keine Beilagen enthält.“
Fast ein wenig schnell nahm sie den Korb mit den Eiern an sich, der ihr nahezu aus der Hand gerutscht wäre, wenn Jasmin nicht blitzschnell zugegriffen hätte. Kurz trafen sich die Blicke der Frau und des Mädchens, wobei ihr Susanna deutlich zuzwinkerte. „Du bist mir bedeutend lieber, als die da draußen. Beneide weder Jonathan noch Stefan sich mit den Weibern herumschlagen zu müssen.“ Fest nahm sie den Korb entgegen und stellte ihn in den Kühlschrank. „Wäre eine schöne Schlacht geworden, wenn die alle runter gefallen wären. Danke, Jasmin.“
Das Mädchen wandte sich ab und nahm das letzte Brot aus dem Ofen. Oh, sie hatte das Lob wohl gehört. Lob? Mit einem Handtuch schnappte sie den heißen Laib und legte ihn zu den anderen auf ein Brett. Ja, Lob! Oh, man hatte sie gelobt, für angeblich gute Fortschritte bei der Therapie, für augenscheinliche Änderungen in ihrer Denkweise, für angeblich gutes Verhalten, was sich in den letzten Wochen geändert haben sollte. Es war nie wirklich bei ihr angekommen, hatte sie genervt, war an ihr abgeprallt.
Susannas Lob prallte nicht ab. Sie meinte es ernst, genauso ernst wie die Aussage über Edith und ihre Schminke, und es tat einfach gut, es zu hören und zu spüren, dass jemand auf ihrer Seite war und in etwa genauso dachte wie sie.
Kurz vor acht gab es heißen Kakao, Tee und Kaffee. Das Brot dampfte, die Eier waren hart gekocht und Jasmin hatte Wurst aufgeschnitten. Die Pancakes kamen nach und nach frisch auf den Tisch. Bestrichen mit Ahornsirup bildeten sie eine leckere Süßigkeit am frühen Morgen. Es roch verführerisch.
Nahezu pünktlich erschienen die Kids. Christina und Edith stöhnten sich gegenseitig in deutscher Sprache an. Beide hatten sie Stroh und Heu im Haar und auf der Kleidung. Worte wie, „Ich kann nicht mehr“, „Das ist nichts für mich“ und „Die Viecher stinken vielleicht“, drangen an Jasmins Ohr. Stefan grinste breit, als er hinter den Mädchen den Raum betrat. Für ihn war die Arbeit völlig normal, mehr noch, er liebte sie. Aber die Mädels waren bereits am Ende ihrer Kraft angekommen. Dabei hatte der Tage gerade erst begonnen. Kurz drauf erschien auch Kinsky mit den Jungs. Alle drei schienen guter Laune. Aus Gesprächsfetzen hörte Jasmin heraus, dass Kinsky ihnen den Umgang mit der Motorsäge beigebracht hatte. Die Arbeit im Wald schien den Burschen gefallen zu haben, denn sie unterhielten sich über das schiefe Fallen eines Baumes, das Krachen der Äste und die zerstörerische Kraft, die man unter dem Einsatz einer Kettensäge freisetzen konnte. Wenig später betraten auch Judith und Janina den Raum. Während sich Janina und Susanna einen bedeutenden Blick
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