Whisper (German Edition)
ihrem Profil zu lesen, aber da gab es nicht viel. Jasmin aß wenig, obwohl Susanna ausgezeichnet zu kochen verstand, saß lediglich stumm da, auch wenn sie immer mal wieder einen vorsichtigen Blick über den Tisch warf. Blicke, die niemand bemerkte, der sie nicht zu beobachten verstand. Jasmin bekam weit mehr mit, als man dachte und die „scheiß Gäule“, ein Ausdruck, den Christina im Flüsterton losgeworden war, hatte bestimmt auch den Weg zu ihren Ohren gefunden. Durch ihr allzu reaktionsloses Verhalten war man versucht, sie nicht wirklich ernst zu nehmen, weswegen es Christina und Judith vor ihr nicht versteckten, als sie sich unter dem Tisch kleine Zeichen gaben. Jasmin bemerkte es und sie entdeckte auch ein gewisses Abwenden von Edith, die sich als einzige der drei Mädels auf das Reiten zu freuen schien, es sich aber nicht anmerken ließ. Sie warf einen Blick auf den schwarzen, zottigen Hund, den man Taps nannte, und der sich breit in einer Ecke des Hauses ausgestreckt hatte, wie auch auf die Katzen, die sich in der Küche einige Krümel von der Kredenz stehlen wollten. Zudem bemerkte sie auch, dass Stefan und Kino versuchten, sie von den anderen abzuschirmen, und lauernd auf eine falsche Bemerkung warteten, die sich die Mädchen aber wohlweislich verkniffen, und sie bemerkte Kinskys Blick, der ab und an auf ihr lag und versuchte, sie zu erforschen. Susanna hantierte mit dem Geschirr herum, während Janina sich auf ein Gespräch mit Markus eingelassen hatte. Doch nach außen hin wirkte sie wie eine batteriebetriebene Statue, nicht fähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, was auch gar nicht so unrichtig war, denn die bevorstehende Nachmittagsbeschäftigung gefiel ihr ganz und gar nicht.
Kino schien das irgendwie zu bemerken, denn auf einmal spürte sie seine Hand im Rücken, die sie sanft streichelte, sogar ein wenig einrahmte und fühlte, wie er sich ihrem Ohr näherte.
„Ich werde dir mit Tom helfen“, flüsterte er vorsichtig und übte einen sanften Druck mit seiner Hand aus. „Wir schaffen das zu zweit, du und ich.“
Jasmin senkte lediglich den Blick, versteckte jetzt auch noch das bisschen, was vielleicht sichtbar war. Fürsorglich nahm Kino einmal mehr ihre Hand in die Seine, drückte sie sanft und hielt sie fest. Stefan war der Einzige, der diese Geste bemerkte, und an den ersten Abend zurückdachte, als er bei ihr genau dasselbe getan hatte, um sie zu bestärken und ihr zu zeigen, dass es Menschen gab, die auf ihrer Seite standen. Trotzdem wirkte es bei Kino so ganz anders. Der Blick, den er ihr zuwarf, das sanfte Streicheln ihres Rückens. Gesten, denen sich Jasmin nicht entzog. Doch die Hormone? Stefan hätte schwören können, dass der Funke übergesprungen war. Was hatte Kino gesagt? Er wollte in ihrer Nähe sein … dann hatte er ihn unterbrochen. Mit ein Grund, warum sich der junge Singing Bird um Jasmin kümmern wollte? Auch er hätte gerne in Jasmin hineingesehen. Allerdings war es für ihn noch unmöglicher an das Mädchen heranzukommen, als für Kino. Stefan wurde in diesen Augenblicken klar, dass Kino einen kleinen Vorteil allen anderen gegenüber hatte. Jasmin ließ seine Nähe zu, warum auch immer.
Gemeinsam half man noch den Tisch abzuräumen und Judith erwischte Jasmin für einen kurzen Augenblick allein. Natürlich war es dem Mädchen nicht entgangen, dass Kino sie kaum aus den Augen gelassen hatte.
„Hast dir ja einen tollen Lover geangelt“, meinte sie gelassen und stieß sie sanft mit dem Ellbogen an. „Kannst mir dann ja sagen, wie Waldmenschen so sind. Vielleicht borge ich ihn mir auch mal für eine Nacht aus. Für einen schnellen Fick sieht er ganz tauglich aus.“ Dabei zwinkerte sie unverblümt und ließ Jasmin stehen, während diese erstmals den Wunsch verspürte, dem Mädchen eine zu scheuern. So richtig mit Zorn, Wut und Kraft, sodass es sie aus den Latschen heben würde. Aber sie hatte weder die Kraft noch den Mut, sich Judith entgegenzustellen, weswegen sie ihr nur kurz hinterherblickte und tat, als hätte sie es geschluckt. Aber es wurmte sie bis in den Blinddarm, wie ausgedehnt schlecht Judith über alle dachte. Und sie war ein beliebter Angriffspunkt, da ihr einfach die Wehrhaftigkeit fehlte. Judith wusste das und nutzte es bedenkenlos aus. Was konnte ihr schon passieren? Solange sie dafür sorgte, dass niemand etwas mitbekam, konnte sie Jasmin einen Krüppel schimpfen, so oft es ihr Spaß machte. Wer sollte sie verpetzen? Jasmin?
Niemand bekam
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