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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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verließen. Kino hatte genug Respekt vor alldem. Sein Großvater hatte ihn immer wieder auf die kleinen Zeichen des Lebens hingewiesen und ihn gelehrt, sie zu deuten. Er hatte ihm gezeigt, wie es sich anhörte, wenn Tiere zu einem sprachen, wie es war, wenn sie ihn warnten, er hatte gelernt, auf das Jammern der Pflanzen zu reagieren, den Winden zu lauschen, wenn sie ihr einsames Lied sangen und zu spüren, wenn ihm Great Spirit etwas sagen wollte. Und diesmal spürte er, dass Jasmin ein besonderes Wesen war und eine besondere Gabe hatte, obwohl sie keine Indianerin war. Sie hatte in ihrem einsamen Leben gelernt, unbewusst nach den unsichtbaren Zeichen zu greifen, und bildete deshalb eine Einheit mit der Natur.
    Die Sprache vernebelte manchmal die Sinne, so sein Großvater. Aber Jasmin sprach nicht. Sie beobachtete, hörte und fühlte. Ihr Inneres kannte nur sie. Eine schwer verletzte Seele, die sie nicht teilte. Und diese verwundete Seele machte es ihr möglich, nach anderen Seelen zu greifen. Nach dem Inneren jener, die sich nicht helfen konnte. Die Katze, das Kitz, das Kalb …
    Jasmin hatte ja gar keine Ahnung. Sie handelte intuitiv, wie sein Großvater. Vielleicht war auch „Whisper“ eine Seele, die in ihr weiterlebte.
    Kino setzte sich ruhig neben sie. Es würde die Zeit kommen, in der er ihr erklären wollte, was er glaubte, dann, wenn sie bereit war mit ihm zu sprechen, sollte es jemals soweit kommen.
    „He“, meinte er sanft und strich wieder über ihren Rücken, „die sind es doch gar nicht wert. Deine Verletzungen werden heilen. Und irgendwann sattelst du jedes Pferd allein und im Vorbeigehen. Die Mädchen, beide, werden noch auf die Schnauze fallen. Es werden Momente kommen, an denen sie Hilfe brauchen werden, wo dann niemand da ist. Susanna und Kinsky mögen dich, Stefan kann dich gut leiden, Markus und Patrick sind auch okay und ich mag dich ganz besonders. Wir alle werden dich unterstützen, solange du es brauchst, und wenn du es eines Tage schaffst, Judith oder Christina Susannas Bratpfanne über den Schädel zu ziehen, werden wir danebenstehen und dich anfeuern. Und jetzt gehen wir beide da raus und satteln Tom gemeinsam, okay?“
    Die Worte sollten aufheiternd wirken und, zugegeben, die Vorstellung mit der Bratpfanne war verlockend, aber trotzdem war Jasmin mehr nach Weglaufen zumute. Niemand tadelte sie oder hackte auf ihr herum, wenn sie allein war. Niemand tat ihr dann weh. Aber es brachte sie nicht weiter, ständig wegzulaufen. Dadurch änderte sich nichts. Jasmin spürte Kinos sanft streichelnde Hand im Rücken. Er berührte sie frei und ungeniert, hielt ihre Hand, gab ihr Kraft. Bisher hatte man sich gescheut, ihr die Hand zu geben, nachdem man in ihr Gesicht geblickt hatte. Sie hatte es jedes Mal gemerkt. Als ob sie eine ansteckende Krankheit verbreiten würde. Aber hässlich und entstellt zu sein, war nicht ansteckend. Kino war der erste Mensch, nach dem „Unfall“, bei dem sie eine gewisse Zuneigung verspüren konnte. Er mochte sie, sagte es auch und das tat gut.
    „Na komm schon“, meinte er, griff kurz in ihr Gesicht und berührte es leicht. „Ich helfe dir gern.“
    Schnell schnappte er sie bei der Hand und zog sie hoch. Mit der anderen Hand griff er nach dem Sattel und trug ihn hinaus. Die anderen waren schon fast fertig, weswegen Kino Stefan aufforderte, schon mal zu gehen. Er würde nachkommen. Dabei streifte er das grinsende Gesicht Judiths. Dem Weib würde das Lachen schon noch irgendwann vergehen, dessen war er sich sicher.
    Kino wartete, bis die Gruppe unter Stefans Anleitung zum Reitplatz unterwegs war, bevor er sich mit Sattel und Pad bewaffnet Tom näherte. Als er bemerkte, wie sich Jasmin zögernd dem Schwarzen näherte, wartete er einige Sekunden. Sie tat, als wären ihr Pferde fremd, aber das waren sie nicht, dessen war sich Kino ziemlich sicher.
    „Weißt du, wie man ein Pferd sattelt?“, fragte er, hoffte irgendwie darauf, dass sie sich für die bevorstehende Aufgabe begeistern konnte, erhielt aber wieder keine Reaktion. Diese Tatsache ignorierend, wollte er schon das Pad auf das Pferd legen, als seine Aufmerksamkeit in die Bäume nahe dem Waldrand geleitet wurde. Es war nur ein leises Krächzen, welches er vernommen hatte und es bedurfte schon eines geschulten Auges, die beiden Raben zu erkennen, die dort im Geäst verweilten. Die Raben werden sie leiten. Es waren die Worte seines Großvaters gewesen. Er wusste gewisse Dinge. Wusste sie immer. Hatten die Raben

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