Whisper (German Edition)
Reitunterricht?“
Stefan zuckte mit den Schultern.
„Ich denke schon. Es steht sowieso Sattelkunde an, und nachdem die anderen bereits den gesamten Weg durch die Wildnis geritten sind, dürfte Unterricht vielleicht nicht schaden. Unsere schöne Judith hat Nachholbedarf. Derzeit kennt sie sich mit Mist und Wasser besser aus, als mit Pferden. Ich denke, es wird sich einrichten lassen.“
„Dann lass mich mit Jasmin arbeiten.“
„Doch die Hormone!“
Kino knuffte ihn wieder in die Seite, woraufhin Stefan zart lachte.
„Ist ja gut. Ist schon in Ordnung. Ich nehme die Verrückten und du das scheue Reh.“
Es dauerte keine Minute, Kinsky mit Vorbehalt, in den Plan einzuweihen. Heute Nachmittag war Reitunterricht einfach wichtig, wobei Stefan ihm den Vorschlag unterbreitete, Jasmin an Kino abzutreten, um das Funktionieren in der Gruppe zu gewährleisten. Aber Kinsky war nicht dumm. Weder Stefan noch Kino waren ihm unbekannte Personen. Beides junge Männer, mit bestimmt noch genug Unfug im Kopf. Allerdings hätte er Stefan nie in sein Team aufgenommen, wenn er dessen Fähigkeiten der Jugend gegenüber nicht erkannt hätte. Zudem hatte Stefan einen besonderen Vorteil. Er war selbst als Problemfall auf Six Soul abgeliefert worden, was einen besonderen Eindruck auf die Kids machte, wenn er davon erzählte. Er war jung genug, hin und wieder Blödsinn mitzumachen, aber besaß auch die Reife, den Ernst einer Lage zu erkennen. Kino färbte sehr stark von seinem Vater ab. Er war ein ausgeglichener, ruhiger, junger Mann, ausgestattet mit einer besonderen Beobachtungsgabe und der Fähigkeit, daraus Antworten auf Fragen zu erhalten. Niemand konnte Ehre und Respekt seinem Lebensraum gegenüber besser herüberbringen als er, der damit aufgewachsen war. Die Tatsache seiner indianischen Herkunft tat oft sein Übriges. Stefan und Kino waren ein eingespieltes Team. Sie konnten miteinander wie Brüder. Kino hatte Stefan in vielen Bereichen geholfen, ihn in eine andere Welt tauchen lassen und damit aus dem Stadtjungen einen halben Indianer gemacht. Der junge Singing Bird wusste durchaus, wie man sich Zutritt zu jemandem verschaffen konnte, denn er hatte den besten Mentor, den man sich denken konnte. Seinen Großvater. Und wenn er Gefallen an Jasmin gefunden hatte, so war das ein kleiner Lichtblick in einem stockdunklen Tunnel. Vielleicht war es Kino, der an das Mädchen herankam. Zumindest gewann Kinsky den Eindruck, dass die jungen Burschen etwas im Schilde führten, und gab diesem gern nach, unter anderem auch, weil ihm die Vorstellung vom Reitunterricht nach der Wildniswanderung durchaus gefiel. Keines der Kids war wirklich fit, was aber durch die Suche nach Jasmin gänzlich untergegangen war. Vielleicht würde sich am Nachmittag zeigen, wie weit man an seine Grenzen gehen würde. Sie wieder aufs Pferd zu schicken war hart, aber der Disziplinierung bestimmt durchaus förderlich. Es würde ein interessanter Nachmittag werden.
Kino blieb zum Mittagessen und er stand durchaus im Genuss, als den Kids mitgeteilt wurde, was sie in den kommenden Stunden erwarten würde. Mit keiner Silbe wurde verlautbart, dass sich Kino separat um Jasmin kümmern wollte, nicht nur um weiteren Sticheleien aus dem Weg zu gehen, sondern auch, um Jasmin nicht schon im Vorfeld in Unruhe zu versetzen.
Während des Essens tuschelten Judith und Christina heftig miteinander und banden Edith in ihre Gespräche mit ein. Stefan war sich sicher, dass auch Jasmin Inhalt des Gespräches war. Judith hatte Christina schnell auf ihre Seite gezogen, was nicht weiter schwierig gewesen war, und Edith ließ sich anstecken, um nicht übrig zu bleiben. Stefan beobachtete die Mädchen eine Zeitlang. Ob sie wussten, was ihnen blühte, sollten sie sich Jasmin gegenüber noch einmal anstößig verhalten? Stefan lachte innerlich. Jonathan Kinsky hatte doch noch gar nicht richtig angefangen … Die beiden Jungs waren da schon weniger kompliziert. Sie blödelten über Erlebtes, sprachen über die Handhabung einer Motorsägen, fachsimpelten über das Holzhacken und über reine Männerarbeit. Dinge, die jetzt wichtig und cool waren, da sie eben Männern vorbehalten waren, und Kinsky ließ die beiden durchaus wissen, wie wertvoll männlich Arbeit sein konnte.
Jasmin selbst verhielt sich einmal mehr reaktionslos. Mit keinem Zucken in ihrem Gesicht verriet sie, was sie dachte oder fühlte, auch nicht, als sie mitbekam, dass am Nachmittag geritten werden sollte. Kino versuchte aus
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