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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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sein und kochte vor Wut, wenn Menschen wie Judith nichts unversucht ließen, ihr mitzuteilen, wie wertlos sie war.
    Es bewegte ihn magisch, als er merkte, wie sie plötzlich ihren Druck um seine Hand etwas mehr festigte und sacht und vorsichtig ihre Finger zwischen die seinen schob. Es war nicht mehr einfach die leblose Hand, die er hielt, sondern sie brachte Gefühl mit, und dieses Gefühl nistete sich stark in seinem Inneren ein. Er wagte es kaum, ihr einen Blick zuzuwerfen. Zu groß war die Angst, es könnte eine Reaktion gewesen sein, etwas, was im Schlaf passiert war. Mit großer Vorsicht schielte er zu ihr hinüber und erkannte den Blick, den sie auf ihrer beider Hände warf, bevor sie sich wieder dem Fenster zuwandte und die Augen ein weiteres Mal schloss. Seine dezente Suche nach ihr, sie hatte es erwidert. Kein Zufall, nicht einfach passiert. Sie hatte es bemerkt und ganz bewusst reagiert. Kino entlockte das ein zartes Lächeln. Er fühlte sich glücklich und bis in die Untiefen seiner Seele bestätigt.
     
    Es dauerte eine Weile, bis sie die holprige, geschotterte Zufahrtsstraße zur Singing Bird Ranch passierten und in die Einfahrt einbogen. Im Haus brannte Licht und auch der Hof war beleuchtet. Kino fuhr ganz bis zum Haus vor und stellte den Pick Up quer, sodass es Jasmin leichter fallen würde, ins Haus zu gehen. Sie war schon bei den ersten Schlaglöchern wieder wach geworden, nachdem ihr Kopf einige Male gegen die Fensterscheibe geknallt war. Nicht fest, aber so, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. Langsam steckte sie ihre wunden Füße in die weiten und weichen Stoffpantoffel, die sie mitgenommen hatte. Das Einzige, was derzeit keine Schmerzen verursachte. Die ersten Schritte, sie würden wehtun. Ihre Füße würden sich beschweren. Das wusste sie bereits, noch bevor sie die Autotür geöffnet hatte und ausgestiegen war. Aber sie würde es aushalten. Sie hatte schon so vieles ausgehalten, was waren da schon ein paar wundgelaufene Füße.
    „Warte, ich helfe dir“, hörte sie Kinos Stimme, der, kaum das es stand, aus dem Auto hechtete, und sofort auf ihre Seite lief. Jasmin versuchte irgendwie leichtfüßig aus dem Fahrzeug zu steigen, war aber dann für Kinos Arm dankbar, der sich um ihren Rücken legte. Ja, es waren nur die ersten Schritte, nur die ersten zehn vielleicht, aber die waren die Hölle. Jasmin überlegte, wie sie den gesamten Tag in den Schuhen durchgehalten hatte, wo sie jetzt das Gefühl hatte, als würden ihre Füße abfallen. Das Phänomen des Druckes. Solange der Schuh den Fuß umschlossen hatte, war es dem Schmerz unmöglich gewesen, sich auszubreiten.
    Mit jedem Schritt, den Jasmin jetzt ging, wurde ihr Auftreten fester. Sie war sich sicher, wenn sie ihre Füße morgen wieder in Schuhe quetschen würde, wäre sie fähig, erneut den Tag durchzuhalten. Doch es gab Leute, die würden das nie erlauben, auch dessen war sie sich bewusst.
    Sie waren noch nicht ganz auf der Veranda angekommen, als sich die Tür zum Haus öffnete. Eine Gestalt erschien im Türrahmen. Groß, schlank, langes Haar, während eine Pfeife aus seinem Mundwinkel hing.
    „Ihr seid spät!“, bemerkte der Mann mit angenehm warmer Stimme. „Ich habe euch etwas früher erwartet. Aber besser spät als nie.“ Er griff nach Jasmins Hand, wobei er sorgsam vorsichtig zugriff. Kino bewunderte das immer wieder. Niemand hatte etwas gesagt, ihn angerufen oder informiert, und trotzdem hatte er gewusst, dass sie kommen würden. Der alte Mann zog Jasmin zu sich, schob sie vor sich durch die Diele und zeigte ihr den Weg in einen Wohnraum, der von der Diele nur mit einer halben Mauer abgegrenzt war. Die Oberfläche dieser Mauer war glatt, sodass man sie als Stellfläche benutzen konnte. Kinos Großvater schob sie an dieser Trennwand vorbei, hinein in einen Wohnraum und deutete auf eine Couch, die wohl irgendjemand irgendwann selbst zusammengezimmert hatte. Sie bestand lediglich aus einem Untergestell, welches aus Holzpfosten, teilweise noch mit Rinde besetzt, bestand, die wiederum mit starken Ästen verbunden waren. Darüber hatte man eine Matratze gelegt, während dicke Polster als Rückenlehne dienten. Kinos Großvater forderte sie auf, auf dem urigen Möbelstück Platz zu nehmen, griff sich einen Sessel und setzte sich vor sie, ohne weiter auf seinen Enkel oder auf Jasmin selbst zu achten. Diese hatte einmal mehr ihren Kopf gesenkt und vergessen, ihre Kapuze über den Kopf zu ziehen. Ihre Haare waren ihr ins Gesicht

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