Whisper Island (01) - Sturmwarnung
irgendwo was zu essen kaufen.«
»Echt? Tja, Pech gehabt. Um diese Zeit? Kannste vergessen.« Er sah auf die Uhr und sagte dann: »Mike macht als Erster auf. Der hat seinen Laden an der Ecke.« Er zeigte vage in eine unbestimmte Richtung. »First Street, Ecke Anthes. Da kriegst du Frühstück. Aber erst später«, fügte er hinzu.
»Tja, Pech gehabt«, ahmte sie ihn nach und machte Anstalten zu gehen, als er spontan hinterherschob: »Warte, ich kann dir vielleicht helfen. Aber du musst es für dich behalten, klar?«
Sie nickte, und er ging mit ihr zurück in den Star Store . Er nahm seinen Schrubber mit, lehnte ihn an eine der beiden Kassen und ging weiter in den Laden hinein.
Der Supermarkt war größer, als er von draußen aussah, fand Becca. Er hatte alles, was man brauchte, nur in klein: verschiedene Gänge mit Lebensmitteln und eine Obst- und Gemüsetheke. Es gab sogar eine Feinkost-Abteilung, und darauf steuerte der Junge mit ihr zu.
Er zeigte auf ein paar Tabletts hinter der Fleisch- und Käseauslage. »Das kann man zwar noch essen, aber nicht mehr verkaufen. Ich gebe das immer an wohltätige Vereine weiter, die mehrmals in der Woche Suppenküchen veranstalten und Essen an Bedürftige ausgeben. Mit dem Aufschnitt, den sie hier wegwerfen würden, mache ich Sandwiches für sie. Du kannst dir auch eins machen, wenn du willst.«
Er wusch sich die Hände und fing an, Brote zu schmieren. Becca tat das Gleiche und ging dann ebenfalls an die Theke. Schweigend standen sie ein paar Minuten nebeneinander und machten Sandwiches, bis er sie zufällig streifte und sie das große Loch in seinem Innern spürte.
Der Junge hatte einen großen Verlust erlitten, und ohne nachzudenken, sagte sie zu ihm: »Andere Dinge werden es bald ausfüllen, dann wirst du es kaum noch merken.«
Er hielt inne. »Was ist los?«
»Ach!«, antwortete sie rasch. »Ich meinte, wenn ein Loch im Brot ist, kann man es mit Senf zuschmieren. Weißt du?«
Er sah nicht aus, als würde er ihr das abnehmen. »Wer bist du?«
»Becca King«, antwortete sie. Das war das dritte Mal, dass sie einem Fremden diesen Namen nannte, und es war, als würde sie damit ihre neue Identität besiegeln. Und das war ein unangenehmes Gefühl.
»Becca King. Aha. Ich bin Seth Darrow«, erwiderte er.
»Seth Darrow. Aha.«
Er schien auf eine Reaktion zu warten. Als die ausblieb, sagte er: »Du bist wohl nicht von hier, was? Sonst wüsstest du Bescheid.«
»Bescheid? Worüber?«
»Über meinen Nachnamen. Was er bedeutet.«
Becca spürte, wie Seth sich langsam neben ihr entspannte. Es kam ihr vor, als hätte sie einen Test bestanden. Er sagte noch einmal ihren Namen und fragte sie dann, ob das die Abkürzung für Rebecca wäre, und sie nickte. Dann wollte er wissen, warum sie Becca genannt wurde und nicht Becky, wie die meisten anderen Mädchen mit ihrem Namen. Aber um das zu beantworten, hätte sie sich neue Lügen ausdenken müssen, und das wollte sie nicht. Deshalb sagte sie einfach, sie wisse es nicht, und dass sie erst gestern auf die Insel gekommen sei. Sie sagte, sie hätte eigentlich eine Weile bei Carol Quinn in der Blue Lady Lane wohnen sollen …
»Boah, schon wieder Pech gehabt.« Seth wusste offenbar, dass Carol Quinn tot war, und um das noch zu unterstreichen, fügte er hinzu: »Kleine Stadt. Da weiß jeder über jeden Bescheid.«
»Ja, wieder Pech gehabt«, stimmte Becca zu. »Meine Mutter war mit ihr befreundet. Schon seit sie Kinder waren.« Den Rest sollte er sich selbst zusammenreimen. Das taten Leute schließlich oft, wenn sie nur bruchstückhafte Informationen erhielten.
Gierig schlang sie ihr Sandwich hinunter. Seth ging zu einem Kühlschrank und holte eine Plastikflasche mit Orangensaft heraus. Die reichte er ihr und schüttelte den Kopf, als sie Kleingeld aus ihrer Jackentasche kramte. »Den geb ich dir aus.«
Er gab ihr noch ein eingepacktes Sandwich und sagte: »Für später. Nur für alle Fälle.«
Dann nahm er eine Serviette und einen Stift von der Feinkost-Theke und fing an, etwas darauf zu malen. Becca sah, dass es eine Karte war, eine ganz einfache, mit nur zwei Straßen auf der einen Seite und zwei anderen, die quer dazu verliefen. »First und Second Street«, sagte er, indem er darauf zeigte. »Und Anthes und Park Street.«
An der Kreuzung Second und Anthes Street sei eine öffentliche Toilette, die schon geöffnet habe und wo sie machen könne … was sie eben so machen müsse. In der Nähe sei die Bank und davor ein gelbes
Weitere Kostenlose Bücher