Whisper Island (01) - Sturmwarnung
sogar noch ein paar grüne Oliven mit Pimentkörnern obendrauf. Becca nahm nur Senf und fragte sich, ob der Hotdog wohl in Debbies Mund passen würde.
Doch das war kein Problem, denn Debbie entpuppte sich als wahre Meisterin im Hotdog-Essen. Außerdem konnte sie gleichzeitig kauen und sprechen, und zwar ohne dass man das Essen in ihrem Mund sah, und dazu war schon eine gewisse Begabung nötig.
»Weißt du, was wir machen, Becca?«, sagte sie mit vollem Mund. »Wir machen ein Tauschgeschäft. Es kann nicht schaden, was zu lernen, wenn du und deine Mutter eine Weile auf Whidbey Island bleiben wollt.«
»Okay«, sagte Becca langsam. Sie war nicht sicher, was Debbie im Sinn hatte, aber die Aufklärung ließ nicht lange auf sich warten.
»Du kannst hier umsonst im Motel wohnen, und dafür arbeitest du ein bisschen für mich. Ich zahl dir auch was dafür, damit alles seine Richtigkeit hat. Das Motel muss mal wieder auf Vordermann gebracht werden, und ab und zu könntest du auf die Kinder aufpassen. Hauptsächlich auf Chloe, denn Josh hat in der Schule inzwischen einen großen Beschützer gefunden. Was hältst du davon?«
Becca nickte. »Ich kann so was ganz gut. Renovieren und so. Und Saubermachen. Und wo ich herkomme, war ich schon ganz oft Babysitten.«
»Dann wäre das ja geklärt«, sagte Debbie und hielt ihr die Hand hin, um die Abmachung zu besiegeln. »Wenn deine Mutter zurückkommt, können wir ja eine neue Regelung finden.« Aber Becca hatte den Eindruck, als würde Debbie nicht so ganz daran glauben, dass das in naher Zukunft geschehen würde.
Als sie mit dem Essen fertig waren, zündete sich Debbie eine Zigarette an und stand auf, um Becca ihr Zimmer zu zeigen. »Komm, wir holen deine Sachen aus dem Auto«, sagte sie. »Dann kannst du schon mal auspacken, bevor ich die Kinder abhole. Die werden sich bestimmt freuen, dich kennenzulernen.«
Sie gingen wieder durchs Büro, wo Debbie einen Schlüssel vom Brett nahm, das wie ein riesiger Farnwedel geformt war. Dort hingen noch neun weitere Schlüssel, jeder mit einem anderen Anhänger. Beccas Schlüssel hatte die Nummer 444, als wäre das Motel ein riesiger Las-Vegas-Komplex, und der Anhänger passte dazu: ein Spielautomat in der Größe eines Scheckhefts. Auf dem Weg nach draußen erklärte Debbie ihr, dass die Schlüssel aus den Tagen stammten, als Hotels noch richtige Schlüssel hatten, und dass ihr Vater sie auf seinen vielen Reisen für Boeing gesammelt hatte. Er hatte eine ganze Schachtel davon als Andenken, und als er das Motel baute, beschloss er, ein paar davon zu benutzen. Natürlich stimmten die Nummern nicht und waren auch nicht in der richtigen Reihenfolge, aber bei zehn Zimmern fand sie das nicht so schlimm.
Becca sah, was sie meinte, als sie an den Zimmertüren vorbeigingen, die willkürlich nummeriert waren, um zu den gestohlenen Schlüsseln zu passen. Zimmer 444 war das dritte, und die Tür war verzogen und ließ sich schwer öffnen. Debbie musste sie mit der Schulter aufstoßen. Ihre erste Aufgabe würde darin bestehen, die Tür abzuschmirgeln, dachte Becca, oder sie mit einem Hobel zu bearbeiten, wenn sie einen fand.
Ihr fiel sofort positiv auf, dass das Zimmer sehr sauber war. Es war aber auch schon sehr altmodisch und einfach eingerichtet. Doch für ein Mädchen, das seine erste Nacht auf Whidbey Island in einer Hundehütte verbracht hatte, war es himmlisch. Es hatte zwei Betten, zwischen denen ein Tisch mit Lampe stand, eine Kommode, die man auch als Schreibtisch nutzen konnte, einen Stuhl mit gerader Rückenlehne, eine Uhr, einen Fernseher ohne Fernbedienung und ein paar Malen-nach-Zahlen-Kunstwerke an der Wand.
Das Badezimmer entsprach genau Beccas Vorstellungen. Sie badete täglich und wusch sich ebenso oft die Haare, und wonach sie sich gerade am allermeisten sehnte, war ein langes, warmes Bad. Die Handtücher waren zwar nicht so flauschig wie bei ihr zu Hause, aber sie waren sauber und weiß.
Debbie stand hinter ihr. »Wir müssen noch über die Regeln sprechen. Ich habe nur zwei. Keine Jungs über Nacht und kein Stoff. Alles klar?«
Becca spürte, dass ihre Zustimmung für Debbie wichtig war. Sie nickte. »Ich kenne sowieso keine Jungs, und Stoff nehme ich auch nicht. Sie meinen doch Drogen, oder? Ich nehme keine Drogen.« Drogen wären das Letzte, was Becca ausprobieren würde. Sie hatte schon genug Probleme mit dem Flüstern anderer Leute. Wer wusste, was passieren würde, wenn sie bekifft oder high wäre.
»Ja, Drogen«,
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