Whisper Island (01) - Sturmwarnung
darum. Und das Gleiche habe ich auch bei dem Zeug auf der Mauer gemacht, aber es nützt nichts. So ist das nun mal beim Gärtnern. Manchmal gewinnt man und manchmal verliert man, und meistens hat man nicht die geringste Ahnung, warum.«
Seth kraulte Gus hinter den Ohren, sah dabei aber seinen Großvater an. »Grandpa, ich hab getan, was ich konnte, um Hayley meine Liebe zu beweisen, aber trotzdem hat sie ihn mir vorgezogen. Sie hat mich despektiert …«
»Dieses Wort gibt es nicht, Junge. Auch wenn manche Leute das Gegenteil behaupten.«
Seth seufzte. »Sie respektiert mich nicht, sonst wäre sie nie mit einem Jungen zusammen, der sie nicht annähernd so lieben kann wie ich. Das macht mich ganz … Ich muss irgendetwas unternehmen, aber ich weiß nicht, was.«
Ralph biss von seinem Riegel ab. Er sah Seth nicht an, sondern betrachtete einen seiner Rhododendronbüsche und sagte: »Bist du ganz sicher? Weißt du so gut Bescheid über andere Leute?«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ich brauche Hayley, Grandpa. Ich brauche sie auf meiner Seite, aber da ist sie nicht.«
»Und was heißt das: ›auf deiner Seite‹?«
»Sie soll meine Entscheidung respektieren. Die Schule abzubrechen, meine ich. Am Anfang hat sie das auch. Sie sagte, sie könnte verstehen, wie schwer das für mich ist und dass Musik mir wichtiger ist, und mit den Jungs den Durchbruch zu schaffen und Platten zu verkaufen …«
Seth trat gegen den Rasen. Gus, der in der Nähe saß, sprang auf, ließ den Ball fallen und bellte. Seth warf den Ball so weit, wie er konnte, und der Hund verschwand hinter der Wiese, wo der Teich seines Großvaters lag.
»Wenn der Hund jetzt ins Wasser springt, machst du ihn aber wieder sauber«, sagte Ralph. Im Mund bewegte er das Stück Riegel mit der Zunge hin und her, um mehr von dem Geschmack zu haben. Dann sagte er: »Raus mit der Sprache. Was hat das Mädchen gemacht, dass du glaubst, sie sei nicht mehr auf deiner Seite?«
»Was soll das heißen: ›Was hat sie gemacht?‹ Das habe ich doch gerade gesagt. Sie ist mit ihm zusammen. Es ist aus zwischen uns. Und als ich sie im Krankenhaus gesehen habe, tat sie so, als ob … keine Ahnung. Ich weiß es doch auch nicht!«
Ralph nickte. Er trug eine Baseballkappe, und sein langer grauer Pferdeschwanz fiel durch die Öffnung am Hinterkopf. Er nahm die Kappe ab und machte sie etwas enger.
Ohne Kappe klebte sein Haar platt am Schädel, und er sah sehr alt aus, denn jetzt konnte Seth seine tiefen Falten auf der Stirn und um die Augen herum erkennen.
Ralph sagte: »Ganz genau.«
»Was?«
»Was du am Schluss gesagt hast. Dass du es nicht weißt. Es ist genau das Gleiche wie mit der Pflanze auf der Mauer. Ich habe alles getan, damit sie blüht, aber sie blüht nicht und damit muss ich mich abfinden. Vielleicht blüht sie irgendwann einmal, vielleicht auch nie. So ist das Leben.«
»Hayley ist aber keine Pflanze.«
Gus kam in den Garten zurückgelaufen, mit dem Ball im Maul und matschigen Pfoten. Er war zwar in der Nähe des Teiches gewesen, aber nicht im Teich. Immerhin.
Ralph sagte: »Mein Junge, du kannst Hayley nicht zwingen, dich zu lieben. Du kannst es zwar versuchen, aber glaub mir, es wird nicht klappen.« Er hob die Blumenschere auf, mit der er den Rhododendron beschnitten hatte, und steckte sie hinten in die Tasche seiner Jeans. Er nickte in Richtung Leiter und sagte: »Kannst du mir tragen helfen? Ich glaube, ich habe genug für heute.«
Sie trugen die Leiter in die Gartenhütte, die hinter Ralphs Haus neben einem kleinen Erlenhain stand. Die Leiter war zu groß und passte nicht ganz hinein, aber die Hütte hatte ein überhängendes Dach, also war sie trotzdem vor Regen geschützt. Seth stellte sie ab, und Gus beschnüffelte sie.
Dann fuhr Ralph fort: »Warum warst du wirklich in dem Krankenhaus, Seth? Verfolgst du das Mädchen etwa?«
»Ich wusste doch gar nicht, dass sie da war.« Seth erzählte ihm von Becca: wer sie war und dass er ihr zeigen musste, wo das Krankenhaus war und wie sie mit dem Bus nach Coupeville kommen würde. Sie habe ihn gebeten, sie hinzufahren, und er habe eingewilligt. Aber er wusste nicht, dass Hayley auch dort sein würde.
»Und was hat Becca gemacht, während du mit Hayley beschäftigt warst?«
Seth ließ den Blick sinken. »Mist«, antwortete er.
»Sie hat ›Mist‹ gemacht?«
»Ich weiß nicht, was sie gemacht hat. Ich habe gar nicht mehr an sie gedacht. Nach dem Gespräch mit Hayley war ich so fertig mit den Nerven,
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