Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
Vom Netzwerk:
Stirn. »In einem Buch? Was für ein Buch?« »Ein Kinderbuch, von Astrid Lindgren. Es war in unserem Bü-cherschrank, ich hatte es sogar schon mal in der Hand. Auf der ersten Seite stand eine Widmung, sie war ziemlich verwischt.« Noa schüttelte den Kopf und warf den Stängel weg. »Seltsam, erst dachte ich, jemand hätte Wasser darauf verschüttet. Mittlerweile glaube ich, dass es Tränen waren. Es muss noch ein Kind gegeben haben, einen Bruder. Jonathan. Er hat das Buch seiner Schwester Eliza zum zehnten Geburtstag geschenkt, ich kann es dir zeigen. Aber von einem Jonathan hat der Bauer nichts gesagt und deine Mutter …«
    »Hat auch nur von einer Tochter gesprochen.«
    »Der Widmung nach muss Jonathan schon älter gewesen sein.
    Dein großer Bruder, der immer für dich da sein wird. Das stand unten drunter. Vielleicht war er ja einfach nie mit.«
    »Vielleicht.« David kniete sich vor das Teleskop und löste die Schraube an der Halterung. »Wie es scheint, war er im entscheidenden Augenblick jedenfalls nicht für seine kleine Schwester da.« Er klappte das Teleobjektiv so ruckartig nach unten, dass es gegen die Standbeine krachte – und Noa musste daran denken, dass auch David ein großer Bruder war.
    Auf der Rückfahrt nahm David einen anderen Weg. Er fuhr links durch den Wald, sodass sie am Mühlenhaus des Malers wieder herauskamen.
    Schon heute Nachmittag war die alte Mühle Noa dunkel vorgekommen, jetzt aber erschien sie ihr geradezu schwarz – ein schwarzes Gesicht mit einem einzigen funkelnden Auge. Hinter einem der Fenster brannte Licht und der Wald war so still, dass Noa durch das heruntergekurbelte Fenster die Musik hö-ren konnte.
    Es war Klaviermusik, die deutlich nicht aus einer Lautspre cherbox kam. Da spielte jemand – ein Lied, das Noa aus ihrer Sammlung von Handytönen entfernt hatte, weil es ihr absurd vorkam, einen solchen Klassiker zu einem Klingelzeichen zu degradieren. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Noa dieses Lied wieder und wieder gehört, weil sie es so schön fand.
    »Für Elise«, sagte David. »Dieses Lied heißt Für Elise, nicht wahr?«
    Noa konnte nur nicken.
    »Glaubst du, dass dieser Robert etwas mit Eliza, ich meine … mit ihrem Tod zu tun hat?«, fragte sie David, als er den VWBus eine halbe Stunde später wieder vor dem Gartentor ihres Hauses parkte.
    »Verdammt, Noa, wenn diese abgedrehte Geschichte wahr ist, die uns dieses Glas da weismachen will, dann könnte es jeder gewesen sein. Nicht nur Robert oder Thomas Kord oder die Hexe oder Hallscheit oder wenn du sogar willst, meine Mutter oder Gustaf, es könnte jeder gewesen sein, der vor dreißig Jahren schon hier war. Unser Dorf hat dreihundert Einwohner, etwa zweihundertzwanzig davon sind über dreißig. Statistisch gesehen, ist das ein Witz, aber wenn wir einen Mörder suchen, dann ist das wie einen dunklen Stern am Nachthimmel orten. Und wenn du genauer drüber nachdenkst, muss es nicht mal jemand aus unserem Dorf sein. Es könnte auch irgendein Kerl sein, der Eliza nachgereist ist. Es gibt tausende von Möglichkeiten, was stellst du dir vor? Dass wir eine lustige Umfrage starten?«
    Noa schwieg, dann sagte sie leise: »Im Grunde bräuchten wir nur Eliza zu fragen.«
    Ehe David etwas erwidern konnte, stieg Noa aus. »Danke für das Freiluftkino«, sagte sie lächelnd. »Der Film war wunderschön.«

ELF
    Heute hat mir Robert ein Geschenk mitgebracht, eine kleine, verschließbare Truhe, die er selbst bemalt hat. Er ist ein richtiger Künstler. Die Vögel sind rot wie mein Sofa, das jetzt auf dem Dachboden steht. In meinem Reich! Und die Truhe ist wie geschaffen für mein Juwel. Auch die Leica verschließe ich darin. Soll mein Vater sie suchen, bis er schwarz wird.
    Eliza, 21. Juli 1975
    N oa wachte davon auf, dass ihr Pancake auf den Bauch sprang. Ungeachtet ihres Gewichts, ließ sich die dicke Tigerkatze, die Kat vor sieben Jahren als winziges Wesen aus dem Tierheim mitgenommen hatte, weil sie so kläglich und zerzaust aussah, auf der Bettdecke nieder. Sie nahm den Bezug zwischen ihre Zähne und begann, laut schnurrend, mit den Vorderpfoten auf und ab zu treten. Dieser so genannte Milchtritt, eine Gewohnheit fast aller Katzen, die als Säugling zu früh von der Mutter weggenommen worden waren, war bei Pancake besonders ausgeprägt. Stundenlang konnte sie sich diesem Ritual hingeben, mit halb geschlossenen Augen und, wie Kat immer sagte, einem geradezu entrückten Gesichtsausdruck.
    Auch Hitchcock schob jetzt

Weitere Kostenlose Bücher