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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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kann, dass ich ins Dorf will, ins Haus, auf den Dachboden, in mein Reich. Marie wird nicht mit mir kommen, auch das weiß sie. Wer kommen wird, das weiß sie nicht. Sie wird denken, ich feiere für mich, sie ist dumm genug mir zu glauben und ich muss ja nicht einmal lügen dafür. Ich muss ihr nur sagen, dass sie mit niemandem sprechen soll, muss sie bitten ein Geheimnis zu hüten. Sie wird es für mich tun, sie würde alles für mich tun, das sehe ich an ihren Augen.
    Dumbo ist mein Ehrengast. Das Nettsein hat sich gelohnt. Es ist kaum zu glauben, wie schnell man einen Menschen zum Lieben bringen kann. Pfeilschnell. Zielen, schießen, treffen. Voll ins Herz.
    Ich liebe dich, Eliza. Ich liebe dich unsterblich.
    Dumbo hat es gesagt, immer wieder, am Abend vor unserer Rückfahrt in die Stadt. Ich habe gelächelt und ich habe gesagt, dass ich wieder kommen werde, schon bald und ohne meine Eltern. Nur ich allein werde kommen und auf dem Dachboden werde ich auf ihn warten. Am 21. August, um Mitternacht. Punkt Mitternacht soll er hier oben sein, keine Minute früher. Keine Minute später.
    Es wird mein Geburtstag sein und ich werde für Dumbo ein Geschenk vorbereiten. Ich habe ihm genau beschrieben, wo er stehen soll. Bei der Flügeltür, hinter dem rechten Fenster, mit Blick auf das Sofa. Dort werde ich sein. Und ich werde ihm die Liebe zeigen. Das habe ich ihm gesagt, das ist Dumbos Wahrheit.
    Robert ist mein zweiter Gast – und Dumbo weiß nichts von uns,nichts, nichts, nichts. Es ist genau, wie ich es haben wollte. Er sollte nichtswissen, bis ich es entscheide.
    Und Robert weiß nichts von Dumbo! Heute Abend wird Robert inder Kneipe arbeiten – bis Mitternacht. Um diese Zeit wird Dumboschon hier oben auf dem Dachboden sein, hinter dem rechten Fenster, während ich mich ausziehe … langsam, lächelnd …
    Und dann wird Robert kommen. Nicht über die Treppe vom Haus wie Dumbo – sondern von hinten durch die Scheune und von dort über die Leiter. Um zehn nach zwölf soll er hier sein. Keine Minutefrüher. Keine Minute später. Das hat Robert mir schwören müssen.Um das Sofa herum werden Kerzen leuchten. Viele Kerzen. Wie ein Feuerkreis werden sie um das Sofa stehen, es wird strahlen, währenddas Fenster im Dunklen bleibt.
    Robert wird Dumbo nicht sehen. Seinen dummen Dumm-bo-Bruder,den er so liebt. Aber in dieser Nacht wird Robert mich lieben. Undsein Bruder wird uns dabei zusehen.
    Das ist der Plan. Das ist meine Geschichte. Jetzt muss sie nur nochgeschehen. Eliza, 21. August 1975, 17 Uhr

SIEBENUNDZWANZIG
    Die Luft ist drückend und schwer. Draußen steigt Nebel auf, er geistert über die Wiesen. Als ich das Zugfenster öffne, riecht es nach Regen. Kein Mond, keine Sterne, nur Nebel und der Geruch nach Regen. Vielleicht wird sogar ein Sturm daraus.
    Eliza, 21. August 1975, 22:30 Uhr
    D ie Einträge im Tagebuch waren mit Elizas Namen und dem Datum unterschrieben, nur die letzten vermerkten auch noch eine Uhrzeit. Sie waren am 21. August 1975 geschrieben worden. An Elizas Todestag.
    David und Noa saßen da und fanden keine Worte. Noa dachte an das Bild von Eliza, an ihre Schönheit, ihr kaltes, gläsernes Gesicht, das Lächeln, das kein Lächeln war, und an all die Einsamkeit, die sich dahinter verbarg. Nicht einmal ihrem Tagebuch hatte Eliza diese Einsamkeit anvertraut, als sei auch das Buch ein Gegner. Aber die Einsamkeit schwang mit, schwebte zwischen den Zeilen, tanzte darin umher wie ein Geist, gebannt in rote Tinte, eingesperrt zwischen den Seiten.
    »Und wenn es doch Robert war?«, flüsterte David irgendwann in die Stille hinein. »Wer seinem Bruder etwas antut, den macht er fertig, hat er zu Eliza gesagt. Eliza hat seinem Bruder etwas angetan. Wir kennen die Geschichte, aber wie sie geschehen ist, das wissen wir nicht, und das Ende kennen wir auch nicht. Was, wenn Robert ihn gesehen hat? Was, wenn Robert gemerkt hat, wozu Eliza ihn benutzen wollte?«
    Noa stand auf. »Das fragen wir sie jetzt selbst.«
    Leise schlichen sie nach draußen.
    Die Katzen waren immer noch im Haus. Noa hatte sie völlig vergessen, zum Glück hatte Marie ihnen zu fressen gegeben, aber die beiden waren es nicht gewohnt, so lange allein zu sein. Pancake maunzte herzergreifend, während Hitchcock beleidigt war und mit hocherhobenem Schwanz an Noa vorbei in den Garten lief. Es roch nach Gewitter. Ein leiser Wind war aufgezogen. Er strich durch die Blätter der Bäume und über dem dunklen Gras bildeten sich feine Nebelschleier.
    Aber da

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