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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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dem VW-Bus, sein Lächeln, sein liebes Gesicht. Aber da war noch jemand gewesen, außer ihm und David. Noch jemand hatte dagestanden, ihm über die Schulter geschaut, ihm die Werkzeuge gereicht. Und dann vorhin, beim letzten Geisterspiel … da hatte David Eliza unterbrochen, als sie ihre letzte Karte ausspielte. Nein, sie hatte nicht DUMBO buchstabieren wollen. ES WAR DUMBOS MUTTER . Das hatte Eliza sagen wollen.
    Und die Hexe, Hallscheits Schwiegermutter – was hatte sie zu Noa gesagt? Hab ihn gesehen, den schwarzen Prinzen. Er kam in jener Nacht. Er kam, um sich zu holen, was er für das Seine hielt. Aber andere folgten ihm, und als er zurückkam, hatte er zerstört, der dumme, dumme Prinz .
    Andere folgten ihm.
    Und Gustaf wusste nicht, dass das Juwel in seinem eigenen Haus war, weil es ein anderer dort aufbewahrt hatte.
    Esther.
    Robert und Gustafs Köpfe flogen herum, aber sie sahen nicht zu Noa, sie sahen an ihr vorbei in die Dunkelheit. Auch David fuhr herum, keuchte und stand da wie festgefroren.
    Schritte auf dem Holz, Schritte in der Stille, schrecklich leise, schrecklich schnelle Schritte. Noa hatte nicht einmal mehr die Zeit, sich zu rühren.
    Es war eine Klinge, die ihr an die Kehle gelegt wurde. Eine messerscharfe Klinge, schwer, kühl und glatt.

NEUNUNDZWANZIG
    Der Himmel ist wieder ganz klar.
Es scheint kein Mond, aber da ist ein Stern. Ein großer heller Stern. Er strahlt direkt durch die Dachluke. Sterne sind niemals zum Greifen nah. Sie sind unendlich weit weg, das macht den Schmerz aus, den man empfindet, wenn man zu ihnen hochschaut. Dieses hauchzarte Ziehen tief im eigenen Herzen. Manchmal frage ich mich, ob Jonathan dort oben ist.
    Eliza, 21. August 1975, 23:45 Uhr
    E ine Bewegung und ich schneide ihr die Kehle durch«, sagte Esther. »Und kein Wort, von keinem von euch. Jetzt rede ich.« Mit ihrer freien Hand zerrte sie Noa von dem Fensterbalken weg, schob sie durch die Flügeltür zum Sofa und daran vorbei, bis dicht vor den Abgrund. Noa wollte schreien, aber sie brachte keinen Laut hervor. Davids Keuchen, die Blicke von Robert und Gustaf, ihre Machtlosigkeit, all das nahm sie nur verschwommen war, wie in einem Fiebertraum. Die Todesangst pochte ihr in der Kehle, auf und ab, ließ den Puls an die Klinge stoßen, und Noa dachte an das Schwein, dem Kord die Kehle durchgeschnitten hatte, und an Esthers bloße, in dem warmen Blut rührende Hand.
    »Von Anfang an«, sagte Esther leise und ohne das Messer von Noas Hals zu bewegen, »von Anfang an habe ich das Spiel der kleinen Hure durchschaut. Ich habe gesehen, was Eliza mit euch getrieben hat, mit dir, Robert, und mit dir, Gustaf. Ich habe es in euren Augen gesehen, euren Gesichtern. Eine Mutter kennt ihre Kinder, ihre dummen, dummen Kinder. Ich habe gehört, was sie vor ihrer Abreise zu dir gesagt hat, Gustaf. Ich habe vor deiner Tür gestanden und alles mit angehört. Ich habe gehört, wie du ihr sagtest, dass du sie liebst, unsterblich liebst, mein Gott, was warst du für ein Narr! Und bist es immer noch. In jener Nacht, am 21. August, war ich wach, hellwach. Ich habe gehört, wie du dich weggeschlichen hast. Und ich habe gehört, wie Robert ging, wenige Minuten nach dir. Diesen Teil der Geschichte kannte ich nicht, ich hatte ja noch nicht das Buch. Das verdammte Buch. Aber ich wusste genug und ich folgte ihm.
    Ja, auch ich war da, nicht eingeladen, aber pünktlich zu eurer kleinen Feier. Die Flügeltür stand offen, genau wie jetzt.« Esther kicherte, als amüsiere sie das Ganze. »Ja, im Grunde war alles genau wie jetzt. Du standest rechts am Fenster, genau wie die kleine Hure es dir vorgeschrieben hat. Aber es gab ja noch das linke Fenster und dahinter habe ich mich gestellt. Das hatte sie nicht vorgesehen, dieses kleine Miststück, dieser Teil stand nicht in ihrem Plan – und du hast mich auch nicht wahrgenommen, so gefangen warst du, bist du wegliefst, ranntest, die Hände vor deinen Mund gepresst, das Gesicht blind vor Tränen. Aber ich blieb. Ich blieb, bis Robert über die Leiter verschwunden war. Ich blieb, bis die kleine Hure sich wieder angezogen hatte. Sie hat es mir leicht gemacht, sehr leicht. Geweint hat sie, ganz leise, sie hat sich nicht mal umgedreht. Sie ging zum Abgrund, genau hierher. Genau an dieser Stelle hat sie gestanden und ihre Arme ausgebreitet. Los, Mädchen, zeig es ihnen!«
    Esther drückte das Messer fester an Noas Hals. Kühl war die Klinge längst nicht mehr – es war, als hätte Noas Angst sie

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