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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Italienisch.
    Â»Ist einen Monat her, ein Schiff mit vielen Toten kommt im Hafen an
und explodiert!« Seine Hände zeichnen einen Feuerball in die Luft. »Einer an
Bord ist noch lebendig. Ein Verrückter. Steht auf diesem Schiff und lacht, wenn
Tote verbrennen. Noch nie so was gesehen.«
    Â»Warst du im Krieg?«, frage ich.
    Â»Nein, ich war hier. Habe geholfen, Feinde zu bewachen in …«
    Â»â€¦Â den Lagern«, ergänzt der Schweizer.
    Das Nicken des Soldaten ist so schwer wie die Last seines vormaligen
Auftrags. »Ja. Wir haben Feinde dort hingebracht, wenn Krieg anfängt. Aber dann
kommt die Seuche…« Mich fröstelt, als er mit der Handkante einen Strich über
die Kehle zieht.
    Die Dämmerung bricht herein, während wir uns unterhalten. Es wird
Zeit zum Abendessen.
    Â»Sieht er gut aus?«, fragt Lisa.
    Ich betrachte den Soldaten genauer, um ihr eine ehrliche Auskunft
geben zu können. »Vielleicht sah er früher mal gut aus. Immerhin hat er ein
nettes Gesicht. Und gütige Augen.«
    Â»Glaubst du, dass er verheiratet ist?«
    Â»Er trägt keinen Ring.«
    Das Fahrrad lehnt an einem Baum. Lisa tastet sich den Rahmen entlang
zu den Körben mit den Lebensmitteln. Ihre Lippen bewegen sich schwach, als sie
die Konserven zählt. Unsere Vorräte gehen allmählich zur Neige.
    Â»Müssen wir ihm auch was geben?«, fragt sie mit gerunzelter Stirn.
»Wir haben nicht mehr viel.«
    Â»Er isst mit uns«, entgegne ich.
    Â»Warum?«
    Â»Weißt du noch, was ich mal zu dir gesagt habe? Wir müssen uns an
die Dinge klammern, die unsere Menschenwürde ausmachen.«
    Â»Ja.«
    Â»Deshalb isst er mit uns.«
    Die Männer führen außer Hörweite ein Gespräch, während Lisa und ich
einige Dosen auswählen. Dann kommt der Schweizer auf uns zu und drückt mir eine
kleine Schachtel in die Hand.
    Â»Streichhölzer?«
    Â»Es ist heute trocken genug für ein Feuer. Mach eines.« Er und der Soldat
verschmelzen mit der näher rückenden Nacht, ehe ich Fragen stellen kann.
    Ich habe noch nie ein Feuer gemacht, zumindest nicht im Freien. Aber
ich bin sicher, dass ich das hinkriege.
    Â»Reißen wir die Banderolen von den Konserven«, sage ich zu Lisa. »Wir
brauchen das Papier.«
    Â»Wohin sind sie gegangen?«
    Â»Das haben sie mir nicht verraten.«
    Â»Warum nicht?«
    Â»Ich weiß es nicht.«
    Â»Du weißt so wenig. Viel weniger als er.«
    Â»Das stimmt. Vor ein paar Monaten führte ich noch ein ganz normales
Leben, ohne mein Hirn sonderlich anzustrengen. Vor zwei Wochen jedoch musste
ich ein Mädchen vor einer Vergewaltigung retten, die sie fast das Leben
gekostet hätte. Wer weiß, was er in dieser Zeit für
Erfahrungen machte.«
    Â»Danke«, meint sie kleinlaut. »Ich glaube, dieses Wort habe ich nie
gesagt.«
    Â»Keine Ursache. Ich würde es jederzeit wieder tun.«
    Â»Weil du nicht anders kannst?«
    Â»Weil ich es als richtig empfinde. Und weil ich dich mag.«
    Â»Obwohl ich so undankbar bin?«
    Ich muss lachen. »Du bist undankbar – und viel hübscher als ich.«
    Â»Meinst du?« Ihr Gesicht leuchtet vor Freude.
    Â»Sehr viel hübscher.«
    Â»Glaubst du, er könnte mich lieben?«
    Â»Der Schweizer?«
    Sie nickt.
    Â»Wenn er dich nicht liebt, ist es nicht deine Schuld. Wir haben uns
alle irgendwie verändert.«
    Â»Ich kann ihn heilen«, sagt sie. »Und er kann mich heilen.«
    Wenn Wünsche nur keine wilden, weißen Pferde wären.

    Eine unbehagliche Stille hält uns in Bann. Der Schweizer ist
kein Prophet, und doch verharrt Lisa unentwegt in der Richtung, in der er
verschwunden ist – ihrem Mekka zugewandt, als könnte sie den Mann ihrer Träume
durch ihr schieres Verlangen zurückholen.
    Das Feuer zischt und leckt an den immer noch feuchten Ästen, bis der
letzte Rest an Nässe verdampft ist. Ich setze mich davor, zufrieden und besorgt
zugleich, und starre in die Flammen, als könnte ich darin die Zukunft lesen.
    Ein Knall zerreißt die Stille der Nacht. Lisa springt von ihrem
unsichtbaren Gebetsteppich auf und rückt ganz nahe ans Feuer heran.
    Erneut ein Knall.
    Ich kenne das Geräusch. Ich habe es oft genug gehört, erst im
Fernsehen und später, als der Krieg und die Seuche ausgebrochen waren, auch auf
den Straßen. Schüsse.
    Der Soldat muss eine Pistole haben. Das

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