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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Erst war Ben der Kater so wichtig, dass er den Spott von Fremden in
Kauf nahm, und dann tat er sein Verschwinden mit einem Achselzucken über einer
Schüssel gebratenem Reis ab.
    Der Kater. Es begann damit, dass der Kater in meinem Wohnzimmer saß
und das Gefäß anstarrte, als sei es etwas ganz Besonderes. Mit anderen Worten –
es begann doch nicht mit dem Kater.
    Ich wähle die Nummer des Hausmeisters. Ich stelle ihm meine Frage.
Es fällt ihm offensichtlich schwer, eine Zahl zu nennen. Nach einer langen
Pause, in der er kaut und schluckt, beschließt er, sich die Sache einfacher zu
machen.
    Â»Der halbe Wohnblock, schätze ich. Die Abflussrohre sind völlig
überlastet, weil alle Mieter ständig die Klospülungen betätigen. Also sehen Sie
zu, dass Sie sich nicht anstecken.«

ACHT
    ZEIT: JETZT
    Die Wolken heben ihre Röcke nur für kurze Zeit, aber lang
genug, dass uns die Sonne blendet. Wir legen uns zu dritt mit weit ausgestreckten
Armen und Beinen mitten auf die Fernstraße und saugen alles auf, was sie zu
bieten hat.
    Einen Moment lang ist die Welt herrlich neu. Wir vergessen den Tod.
Und ich vergesse, Wache zu halten.
    Bis die schimmernden Fremden erscheinen.
    Mein erster Eindruck ist, dass sie nichts Menschliches an sich
haben. Und wer weiß, vielleicht stimmt das ja. Jedenfalls ist es zu spät für
eine Flucht. Die Sträucher im Westen sind Minuten entfernt, während die offene
Landschaft am Ostrand der breiten Fahrbahn drei Leuten auf der Suche nach einem
Versteck keinerlei Deckung bietet.
    Sie sind ebenfalls zu dritt, und sie haben sich ebenfalls auf dem
Asphalt niedergelassen, um die Sonne zu genießen. Die Straße hat sie ebenso ausgezehrt
wie uns. Sie erinnern an dürre Vogelscheuchen, von denen zerlumpte Klamotten
schlottern, und sie wirken nicht weniger erschöpft und misstrauisch als wir.
    Als ich aufstehe, erhebt sich mein Gegenüber mit mir. Ich hebe die
Hand zum Gruß. Sie äfft die Bewegung nach.
    Â»Eine Luftspiegelung«, sagt der Schweizer von seinem Platz auf dem
Asphalt aus.
    Ich lasse die Hand sinken. Mein Gegenüber ebenfalls. Ich komme mir
total idiotisch vor.
    Â»Oh.«
    Lisa bedeckt ihren Mund mit beiden Händen. Lachfältchen umgeben ihr
gesundes Auge.
    Ich ziehe Jacke und Shirt aus und breite die Sachen über den
trockenen Straßenbelag. Dann lege ich mich neben meine Sachen und stelle mir
vor, ich läge an einem Badestrand, mitten in einer Kuhle aus heißem Sand.

    Der nächste Mensch, der uns begegnet, ist keine Fata Morgana.
Allerdings halte ich seinen Kopf zunächst für einen Ball, der sich am Horizont
auf und ab bewegt. Erst nach einer Weile zeichnen sich darunter Schultern und
ein Körper ab.
    Italien ist berühmt für sein Leder, und das Gesicht dieses Mannes
unterstreicht das – braun und glatt und jahrzehntelang von der Sonne gegerbt.
Patina, würde der Händler stolz seine Ware anpreisen. Die Haut spannt sich
straff über einem hageren, muskulösen Körper, der darauf schließen lässt, dass
er bereits vor der Katastrophe sehr schlank und athletisch war. Seine Schritte
sind lang und entschlossen. Das ist ein Mann, der genau weiß, wohin er geht,
oder zumindest die Illusion erzeugt, er sei auf dem richtigen Weg.
    Â»Einer gegen drei«, sagt der Schweizer.
    Als der Mann näher kommt, hält er eine Hand vor die Augen, um sie
gegen das grelle Licht abzuschirmen. Seine Schritte werden unsicher.
    Er bleibt stehen und hält den Kopf schräg, als erwarte er, dass wir
zuerst grüßen.
    Â»Hi«, sage ich.
    Er hebt beide Hände und lächelt. Sein Gebiss ähnelt einer
zertrümmerten Klaviertastatur.
    Â»Parli Inglese?«, ruft ihm der Schweizer
zu.
    Der Neuankömmling bleibt stehen, hebt Daumen und Zeigefinger und
presst sie zusammen.
    Â»Wenig.«
    Er ist Soldat. Oder war einer. Oder kannte einen Soldaten gut genug,
um ihm die Uniform abzuschwatzen. Oder beging einen Mord, um an die Uniform zu
kommen. Aber seine abgewetzten Stiefel passen wie eine zweite Haut, was in mir
die Überzeugung festigt, dass er gedient hat.
    Â»Hallo, Freunde. Komme von Taranto.«
    Â»Ist es dort so schlimm wie hier?«, erkundigt sich der Schweizer.
    Der Soldat zuckt die Achseln. »Sieht überall schlimm aus, Freund.«
    Wie sich zeigt, ist sein »wenig« für mich eine ganze Menge. Die
Lücken in seinem Englisch füllt er mit

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