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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Pupillen eingebrannt – ein Omen seiner Reise.
    ZEIT: JETZT
    Â»Feigling«, faucht der Schweizer. »Sein Selbstmord beweist
mir, dass er wusste, wie wertlos er war.« Er murmelt etwas in seiner
Muttersprache.
    Â»Ist das nicht scheißegal? Und überhaupt – was kümmert dich George
Pope?«
    Er tobt und zetert weiter. Nicht in Englisch. Ich kann kein Wort
verstehen. Erst geraume Zeit später, als ich längst abgeschaltet habe, kehrt er
ins Englische zurück.
    Â»Seine Frau. Ich kannte seine Frau. Eine dumme, dumme Hure.«
    Â»Sie ist eine Hure, ich bin eine Hure, deine Mutter ist eine Hure.
Wir sind alle Huren.« Ich sterbe und muss keine Rücksichten mehr nehmen. Ich
will nur, dass er endlich den Mund hält. »Du hast gewusst, dass ich bei Pope
Pharmaceuticals beschäftigt war. Hast du mir deshalb geholfen, Lisa zu retten?«
    Â»Ich musste es einfach herausfinden, Amerika.«
    Â»Was herausfinden?«
    Â»Warum ein Nichts, eine Putzfrau, die einzige Überlebende von Pope
Pharmaceuticals ist. Warum starben alle anderen – und du nicht? Du bist doch
nichts Besonderes.«
    Meine Finger tasten nach der Klinge in meiner Tasche. Ich umklammere
sie wie einen von Blut glitschigen Talisman.
    Â»Du bist nicht dumm. Das dachte ich nämlich anfangs. Eine Putzfrau.
Eine dumme Putzfrau. Jemand, der Rattenpisse aufwischt.«
    Ich spüre im Moment keine Schmerzen. Nur Wärme, die mich einhüllt
wie eine flauschige rosa Decke. Ich will mich in diese Decke kuscheln und
loslassen. Bald.
    Â»Du begreifst nicht, dass Menschen mehr als eine Eigenschaft in sich
vereinen. Wir sind eine Verschmelzung all der Dinge, die wir auf unserem
Lebensweg angesammelt haben. Ich war nicht nur Putzfrau.«
    Â»Was sonst noch? Eine Hure?«
    Â»Tochter, Schwester, Ehefrau, Geliebte, Freundin.« Ich dachte, ich
würde bald auch Mutter sein, aber das schaffe ich wohl nicht mehr. Tut mir leid, Baby. Ich kann dein Leben nicht erhalten. »Mörderin.«
    Â»Du? Das glaube ich nicht.«
    Blute ich noch? Schwer zu sagen, weil sich alles so nass anfühlt.
»Was weißt du schon, du blöder Käsekopf!«
    Â»Ich weiß alles. Dinge, die sich jemand wie du nicht mal vorstellen
kann.«
    Ich lache, weil das alles ist, was ich noch habe. So werde ich
gehen, nicht um mich schlagend und schreiend wie ein sterbendes Tier, sondern
mit einem Lachen. Ich werde Seitenstechen vor Gelächter kriegen, weil der
Schweizer tatsächlich glaubt, alles zu wissen.
    Â»Warum findest du das so komisch?«, fragt er.
    Â»Darum.«
    Â»Du gibst mir Rätsel auf, Amerika.«
    Â»George P. Pope war ein Feigling. Er konnte keine Minute länger mit
seiner Krankheit leben. Er konnte nicht ertragen, was sie ihm antat – was sie
ihm antun würde, wenn er weiterhin Sauerstoff atmete.«
    Â»Ich verstehe nicht, was dich daran erheitert?«
    Speichel blubbert zwischen meinen Lippen hervor. »Das kannst du
nicht verstehen. Du warst nicht dabei. Es ist so komisch. Es ist so verdammt
komisch.«
    Â»Erklär es mir.«
    Ich habe nie gekichert, aber jetzt, da ich aus dem Leben gehe, tue
ich es. Der Schweizer richtet sich auf. Gleich erfolgt der Angriff. Sein Atem
kommt näher. Ich spüre ihn. Ich strecke die blutige Hand aus und berühre das
Ende meiner Welt.
    ZEIT: DAMALS
    Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu tun, was ich als
Nächstes tue. Ich muss die Empfindungen von meinem Körper trennen, ich muss sie
wegsperren, sicher verwahren, weit entfernt vom Rest meines Ichs.
    Ich blicke zu Jesse auf. Es tut mir leid, will ich sagen. Ich dachte, es sei die richtige Entscheidung
gewesen, dir alles zu erzählen. Aber ich bin nicht sicher, ob das stimmt
oder ob ich mir etwas vormache, um mich besser zu fühlen. Doch um seinen Tod
verkraften zu können, versuche ich daran zu glauben.
    Ich will anders-gut sein, nicht anders-schlecht.
    Nichts. Ich fühle nichts. Meine Gefühle sind gestorben. Das ist gut.
Das macht es leicht, mit beiden Armen die langstielige Axt zu heben, die ich
von der weißen Wand gerissen habe. Sie ist wenig mehr als eine Feder in meinen
Händen. Ich schwinge sie hoch hinter meinen Kopf und lasse sie niedersausen.
Die Schwerkraft übernimmt die Schmutzarbeit für mich. Die Schwerkraft drückt
die Axt nach unten. Gemeinsam trennen sie George P. Popes Kopf vom Rumpf.
    Ich fühle nichts.
    Ich fühle nichts.
    Ich fühle nichts.
    Nur

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