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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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ein Loch, wo früher meine Seele war.
    ZEIT: JETZT
    Ich will nicht mit geschlossenen Augen und bis zum Hals
klopfendem Herzen sterben. Ich habe mich nicht bis hierher durchgekämpft, um
wie ein Feigling zu sterben. Meine Hand ist bereit; die Finger schließen sich
um das Skalpell, meinen blutigen Verbündeten.
    Im Dunkel umklammert der Schweizer meinen Hals und stößt mich so
heftig gegen die Wand, dass ich mir in die Zunge beiße. Blut sammelt sich in
meiner Mundhöhle. Ich spucke es ihm ins Gesicht und lache.
    Ich habe die Kontrolle über mich verloren. Gelächter ist das Helium
in meinem Ballon. Mein Lachgas.
    Â»Was kümmert dich das noch? Es nützt dir doch nichts. Uns kann
nichts mehr helfen. Bald sind auch wir tot. Alle.«
    Seine Finger schnüren mir die Kehle zu. Ein kräftiges Zudrücken, und
mein Gelächter erstirbt. Ich sehe Sterne. Ich sehe ein Licht, das auf mich zurast,
gefolgt von wispernden Stimmen. Mir bleiben noch Sekunden bis zum Ende, und ich
bin gewillt, den Schweizer mit auf die Reise zu nehmen.
    Â»Pope musste sein Spiel bis zuletzt mit mir treiben. Und du hast
dich getäuscht.«
    Â»Ich täusche mich nie.«
    Â»Diesmal schon.«
    Es bereitet mir ein perverses Vergnügen, dem Schweizer
vorzuenthalten, welche Erkenntnisse ich aus Popes letzten Momenten gewann. Und
so verschweige ich ihm die letzte Bitte dieses Mannes; ich weiß, dass sie ihn
freuen würde.
    Ich habe nicht genug Platz, um weit auszuholen, aber das Skalpell
ist schärfer als ein Rasiermesser. Die Klinge gleitet über seine Kehle und
erzittert, als ich sie mit letzter Kraft von einer Seite zur anderen ziehe. Der
Schweizer keucht; selbst im Halbdunkel des Lagerraums kann ich sehen, wie sich
seine Pupillen weiten.
    Seine Hand verkrampft sich um meinen Hals. Das ist es. Das Ende. Ladies und Gentlemen, Zoe has left the building. Doch dann
werden seine Finger schlaff, und er sackt zusammen. Seine Handflächen klatschen
gegen den Beton. Ich hole Schwung und versetze ihm einen Tritt mitten ins
Gesicht.
    Die Stimmen werden lauter. Das Licht kommt näher. Da ist er, mein
Tunnel, mein Notausgang. Tut mir leid, sage ich
meinem Baby. Tut mir leid, dass ich keine gute Mutter oder
zumindest Mutter werden konnte. Tut mir leid, dass ich unsere kleine Familie
nicht in Sicherheit bringen konnte.
    Dann erhellt ein gelbes Leuchten meine Umgebung, und ich sehe, dass
die Welt vielleicht noch eine Überraschung für mich bereithält. Es gibt keinen
Tunnel, und die Stimmen gehören zu echten Menschen.
    Ich hoffe, sie begraben uns weit weg von dem Schweizer.

SECHZEHN
    ZEIT: DAMALS
    Â»Ist das Ihr Ernst?« Sergeant Morris stellt die Frage über
ihren Schreibtisch hinweg.
    Ein langsames Nicken durch zähen Nebel.
    Sie holt die Fläschchen und Packungen aus der Tasche und reiht sie
auf. Soldaten, die über Berge von Papierkram marschieren.
    Der Boden unter meinen Füßen schwankt. Aber vielleicht bin ich es,
die schwankt. Vor und zurück. Ich lege eine Hand flach auf die
Schreibtischplatte. Das macht keinen Unterschied. Meine Welt besteht aus
Treibsand.
    Â»Es gibt noch mehr davon. Aber wenn Sie das Zeug haben wollen,
müssen Sie sich beeilen. Das Gebäude wird nicht mehr bewacht, und der
Firmenchef ist tot. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Plünderer kommen.«
    Â»Ich schicke sofort ein paar Leute hin. Es wäre eine Hilfe, wenn Sie
den Trupp begleiten könnten. Sammeln Sie alles an Medikamenten ein, was Sie finden.«
    Â»Okay.« Meine Worte kippen. Ich schlage mit der Faust auf den Tisch,
dicht neben die flach ausgestreckte Hand. Sie ist schwer. Dunst liegt in der
Luft. Nein, ich halte etwas fest. Einen weißen Sack. Keinen Sack – einen
Laborkittel. Seine Enden sind zu einem primitiven Bündel verknotet, das
Huckleberry Finn stolz machen würde.
    Sergeant Morris verzieht das Gesicht. »Was ist in dem Sack? Scheiße,
da tropft Blut durch.«
    Â»Nichts«, entgegne ich. »Nichts Besonderes.«
    Â»Nichts Besonderes! Du willst mich wohl verarschen.« Sie versucht
mir das Ding zu entwinden, aber es ist eine Last, die ich selbst tragen muss.
    Ich sitze da und klemme das Bündel zwischen die Knie. »Es ist
nichts.«
    ZEIT: JETZT
    Ich sterbe nicht. Zumindest nicht gleich. Und eine Zeit
lang weiß ich nicht recht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Mein Baby
lebt ebenfalls, das fühle ich, und das ist immerhin

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