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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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etwas. Es strampelt in
meinem Bauch und feiert unseren Sieg. Wir sind noch zu zweit.
    Die Sonne strahlt mich durch ein Fenster an. Siehst
du? , sagt sie. Nicht wirklich, denke ich. Aber ich erwidere ihr Lä c heln, während ich herauszufinden versuche, wer von uns der
Betrogene ist.
    Das Stöhnen kommt aus meinem tiefsten Innern, als ich mich aufsetze
und eine Hand an die Wundnaht presse, um nicht aufzuplatzen wie ein verschlissener
Teddybär. Ich bin von Frauen umringt. Sie beobachten mich mit argwöhnischen
Augen und mürrischen Gesichtern.
    Â»Wo bin ich?«
    Keine Antwort. Sie plappern untereinander in einer fremden Sprache.
    Â»Was ist mit dem Mann geschehen?«
    Sie starren die Kuriosität in ihrer Mitte an. Ich versuche ein paar
Begriffe in Gebärdensprache zusammenzukratzen. Aber mir fallen nur Flüche ein.
    Â»Herrgott noch mal!«
    Die Frauen bekreuzigen sich. Kopf, Brust, Schulter, Schulter. Fromme
Worte kennen sie. Eines der verhuschten Geschöpfe löst sich aus dem Rudel. Der
Rest starrt mich an, als käme ich vom Mars. Vielleicht stimmt das ja. Ich
stamme aus einer anderen Welt. So viel weiß ich. Wir tauschen Blicke, versuchen
eine Brücke über die sprachliche Kluft zu schlagen. Die wenigen Brocken
Griechisch, die Eingang ins Englische gefunden haben, nützen mir hier nichts.
    Ich stehe mühsam auf, eine Hand auf den verletzten Arm gepresst. Ein
heftiger Schmerz durchzuckt mich. Ich balle die Hand zur Faust, bis die Knöchel
weiß hervortreten. Mir ist schwindlig, und ich fühle mich absolut fremd. Hände
packen mich, halten mich aufrecht. Kopfschütteln.
    Â»Alles in Ordnung«, beruhige ich sie. »Alles in Ordnung. Ich muss
jetzt gehen.«
    Â»Du gehst heute nicht mehr fort.«
    Ich hebe mit einem Ruck den Kopf, denn das sind Worte, die ich
verstehe. Von dem Gemurmel und Geplapper heben sie sich klar und hell ab. Sie
kommen von einem Jungen, der noch nicht alt genug ist, um sich zu rasieren.
    Â»Ich war in der Internationalen Schule von Athen«, erklärt er. »Mein
Name ist Yanni. Das heißt auf Englisch so viel wie John.«
    Er greift tief in seine Tasche und holt einen Tabaksbeutel sowie ein
Päckchen mit Zigarettenpapier hervor. Dann kauert er auf dem Lehmboden nieder,
legt eines der dünnen weißen Blättchen auf sein Knie, füllt es gleichmäßig mit
Tabak, rollt es zusammen, verschließt die Kante mit Spucke und zündet ein Ende
an. Eine der Frauen zieht ihn am Ohr und keift, bis er den Kopf hängen lässt.
Er bietet mir die selbst gedrehte, von Spucke feuchte Zigarette an. »Willst
du?«
    Die Menschheit ist am Ende, aber noch gibt es Mütter, die ihren
Kindern gute Manieren beizubringen versuchen.
    Â»Nein, danke.« Ich sehe zu, wie er sich das feuchte Ende zwischen
die Lippen schiebt und gierig den Rauch einsaugt. Er kann nicht älter als elf
oder zwölf sein.
    Â»Wo bin ich?«
    Er spricht mit den Frauen. Sie gestikulieren und schnattern laut,
bis sie sich endlich einigen.
    Â»Nicht weit von Athen. Meine Leute haben dich gefunden. Sie waren
auf der Suche nach …« Er zieht an seiner Zigarette und geht dabei seine Liste
englischer Vokabeln nach dem passenden Wort durch. »… Vorräten. Kleidung und
Sachen, die wir mit anderen Leuten tauschen können.«
    Â»Es gibt noch mehr von euch?«
    Wieder berät er sich mit den Frauen.
    Â»Einige«, sagt er. »Aber auch andere …« Er zuckt mit den Schultern
und schnippt betont cool die Asche zu Boden. »Meine Leute reden nicht mit Fremden.«
    Â»Aber du redest mit mir.«
    Â»Weil du krank bist. Wenn du wieder gesund bist, musst du gehen.«
    Das Geschrei von Kindern, die einen Ball durch die Gegend kicken,
beendet die Unterhaltung. Er lässt die Zigarette fallen und tritt sie mit einem
schiefen Stiefelabsatz in den Boden. Nichts hält ihn mehr in diesem Raum. Er
möchte losrennen und mit seinen Freunden spielen.
    Â»Warte!«
    Er bleibt stehen.
    Â»Der Mann – der Mann, der bei mir war. Was ist mit ihm?«
    Erneutes Palaver. Ernste Stimmen.
    Â»Dein Mann lebt. Aber wie lange noch – wer weiß?«
    Er muss sich täuschen.

    Die ganze Welt gehört jetzt ihnen, aber die Roma ziehen es vor,
in diesem vertrauten Lager aus windschiefen Unterständen und Hütten zu bleiben
und ihren Argwohn gegenüber Außenstehenden beizubehalten. Und wer könnte es
ihnen verdenken?

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