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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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traten sie in einem sehr ruhigen, sehr geschmackvoll eingerichteten Büro einem besonders an- maßend blickenden Zwerg gegenüber.
    »Ich bin Colonel Bocage«, sagte er.
    »Wo ist Henri-Georges?«, fragte Sam.
    »Sie werden mit mir reden.«
    Paul sagte auf Französisch: » J'voudrais mon peuple, monsieur. Tout-suite.«
    Colonel Bocage lachte. »Mr. Mazur, ist dies der verantwortliche Mann, den herzubringen Sie uns versprochen haben?«
    Sam nickte. »Ich gab Henri-Georges Bordelon dieses Versprechen.« »Und er hat es auf mich übertragen.«
    »Ich brauche meine Leute«, sagte Paul. »Wir retten Menschenle- ben.«
    »Sie sprechen Französisch. Sie sollten versuchen, auch wie ein Franzose zu denken. Es ist viel zivilisierter ...«
    »Ich kann nicht wie ein Franzose denken.«
    »... weil wir so viele unterschiedliche Ausdrucksformen für das Kon-

zept von Gut und Böse haben.« Er lächelte erneut, und Paul fand, dass er einen Moment lang wie ein sehr unnachgiebiger Mensch aus- sah. »Mr. Mazur, verzeihen Sie, aber würden Sie uns bitte für einen Augenblick allein lassen?«
    Dies war nicht das übliche Prozedere gegenüber Leuten, die darum bettelten, dass ihre Spione nicht ausgewiesen wurden. Doch Paul war nicht in der Position zu fragen, was hier vorging. Nachdem Sam das Büro verlassen hatte, trat der Colonel ans Fenster, hinter dem ein wunderschöner Park lag. Es machte eben einen Unterschied, ob man ein hochrangiger Offizieller der Sureté war oder ein kleiner Geheim- dienstler wie Sam.
    Colonel Bocage schloss eine Aktenmappe, die durchzusehen er vor- gegeben hatte. Es war nur eine Pose zum Spannungsaufbau. Paul hatte dasselbe unzählige Male getan, gegenüber unzähligen Bittstel- lern in zahllosen verschiedenen Ländern. »Also«, sagte der Colonel schließlich, »Sie sind hier, weil Sie auf der Jagd nach den sauvages sind. Wie nennen die Amerikaner diese Wesen?«
    Paul Ward hatte das Gefühl, dass sein Herz einen Schlag aussetzte, nicht mehr gehabt, seit er auf die Überreste seines Vaters gestarrt hatte. Ganz gleich, in wie großer Gefahr er sich befunden hatte, er war immer eiskalt geblieben ... bis jetzt. Sein Herz setzte eine ganze Reihe von Schlägen aus. Er öffnete den Mund, doch nichts kam heraus. Der Colonel hob eine Braue und zog einen Mundwinkel hoch. »Ich bin Ihr Gegenstück«, sagte er, »Ihr französisches Gegenstück.« Paul setzte eine ausdruckslose Miene auf. Sag ihm nichts.
    »Ich sehe, dass Sie überrascht sind«, bemerkte Colonel Bocage. »Völlig überrascht. Sagen Sie, wie lange arbeiten die Amerikaner schon an der Sache?«
    Paul schwor sich, niemals mit Colonel Bocage zu pokern. »Seit eini- gen Jahren«, sagte er trocken.
    »Mein Freund, wir schlagen uns seit fünfzig Jahren mit diesem Pro- blem herum.«
    »Wir haben Asien gesäubert.«
    »Gesäubert?«
    »Wir haben jeden Einzelnen getötet.«
    »Bis auf Mrs. Tallman.«
    »Richtig.«
    » Elle est une sauvage, aussi?«
    »Sie nennen sie Wilde?«

»Um die Berichte sauber zu halten. Wir wissen, was sie sind. Aber Sie kommen gerade aus Asien, wo Sie, wie wir wissen, sehr hart und erfolgreich gerabeitet haben. Warum haben Sie nicht in Amerika ange- fangen, wo Ihnen Ihre Bürger mehr am Herzen liegen?«
    »Unsere erste heiße Spur führte nach Tokio.«
    In dem Augenblick wurden Charlie und Becky hereingeführt. »Ah«, sagte Colonel Bocage, »Ihre Kollegen. Wir sollten uns endlich setzen.«
    »Geht es euch beiden gut?«
    »Ausgezeichnet«, sagte Becky. Sie sah wundervoll aus, wenn sie sauer war – ihre Augen sprühten Funken, ihre Wangen waren gerötet, ihre Lippen zusammengekniffen, was mürrisch und zugleich irgendwie verführerisch aussah.
    Neben ihr spielte Charlie mit seiner verfluchten Drehmaschine herum. Er machte immer auf trotzig, wenn er sich unter Druck befand. Stille trat ein. Paul versuchte sich zu entsinnen, ob er sich jemals so betreten und unbehaglich gefühlt hatte. Er befand, dass die Antwort ein klares Nein war.
    »Diese Angelegenheit unterliegt der höchsten Geheimhaltungsstufe, die es in Frankreich gibt«, sagte Bocage. »Die Regierung hält es nicht für erstrebenswert, die Bevölkerung über derartige Dinge zu unterrich- ten.« Er machte eine Pause. »Ihre Regierung verfährt ebenso.« »Alle Regierungen, an die wir uns gewandt haben, verfahren so.« »In Anbetracht der Tatsache, dass wir unsere Völker nicht schützen können, bleibt uns anscheinend keine andere Wahl, als es geheim zu halten, bis die Sache erledigt

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