Wicked - Die Hexen von Oz

hätte.«
    Â»Leugnen? Sünde?«
    Â»Nein. Wir.«
    Â»Ich weiß nicht, warum –«
    Â»Die einsame Rebellin vom Grattler-Kolleg wird kollektivistisch? Eine Vereinsnudel? Eine Teamspielerin? Unsere einstige Solitärkönigin?«
    Â»Du verstehst das falsch. Es gibt eine Aktion, aber keine Akteure, ein Spiel, aber keine Spieler. Ich habe keine Kollegen. Ich habe kein Ich. Eigentlich von jeher nicht, aber das tut nichts zur Sache. Ich bin bloß ein Muskelzucken im Gesamtorganismus.«
    Â»Ha! Du bist die individuellste, besonderste, krasseste –«
    Â»Wie alle anderen redest du über mein Aussehen. Und du machst dich darüber lustig.«
    Â»Ich liebe dein Aussehen und würde nie ein schlechtes Wort darüber sagen. Fae!«
    Sie gingen an dem Tag wortlos auseinander, und er verbrachte den Abend im Wettbüro und verspielte Geld.
    Als er sie das nächste Mal sah, brachte er drei grüne und drei goldene Kerzen mit und schmückte ihre Wohnung für die Lurlinalien. »Ich glaube nicht an religiöse Feste«, sagte sie, aber ließ sich dazu herab, einzuräumen: »Sie sind ja ganz hübsch.«
    Â»Du hast keine Seele«, neckte er sie.
    Â»Da hast du recht«, erwiderte sie nüchtern. »Ich dachte nicht, dass man mir das ansieht.«
    Â»Das sind doch jetzt nur Wortspiele.«
    Â»Keineswegs«, sagte sie. »Was für einen Beweis gibt es, dass ich eine Seele habe?«
    Â»Wie kannst du ein Gewissen haben, wenn du keine Seele hast?«, konnte er sich nicht enthalten zu fragen, obwohl er eigentlich bei leichten Themen hatte bleiben wollen, um nach dem Streit und der Entfremdung des letzten Mals zu größerer Nähe zurückzufinden.
    Â»Wie kann ein Vogel seine Jungen füttern, wenn er kein Bewusstsein von vorher und nachher hat? Ein Gewissen, Yeros, mein Heros, ist nur Bewusstsein in einer anderen Dimension, der zeitlichen Dimension. Was du Gewissen nennst, nenne ich lieber Instinkt. Vögel füttern ihre Jungen, ohne zu verstehen, warum, ohne darüber zu flennen, dass alles, was geboren wurde, sterben muss, schluchz schluchz. Ich tue meine Arbeit aus einem ähnlichen Antrieb: dem inneren Drang nach Nahrung, Gerechtigkeit und Sicherheit. Ich bin ein Packtier, das mit der Herde läuft, mehr nicht. Ich bin ein unbedeutendes Blatt am Baum.«
    Â»Da deine Arbeit der Terrorismus ist, ist das die extremste Rechtfertigung des Verbrechens, die ich je gehört habe. Du drückst dich um jede persönliche Verantwortung. Damit bist du nicht besser als diejenigen, die ihren persönlichen Willen zugunsten eines unnennbaren Gottes opfern und im dunklen Morast seines unerkennbaren Willens ersäufen. Wenn du die Idee der Persönlichkeit unterdrückst, dann unterdrückst du auch den Begriff der individuellen Schuldfähigkeit.«
    Â»Was ist schlimmer, Fiyero? Die Idee der Persönlichkeit zu unterdrücken oder durch Folter, Gefängnis und Hunger wirkliche lebende Wesen zu unterdrücken? Schau: Würdest du daran denken, auch nurein kostbares gefühlvolles Porträt im Kunstmuseum zu retten, wenn die Stadt ringsherum lichterloh in Flammen steht und reale Menschen verbrennen? Du darfst nicht das Maß verlieren.«
    Â»Aber auch ein unschuldiger Passant – von mir aus eine abstoßende Dame der feinen Gesellschaft – ist ein realer Mensch, kein Porträt. Deine Metapher lenkt ab und verharmlost, sie ist eine billige Entschuldigung des Verbrechens.«
    Â»Eine Dame der feinen Gesellschaft hat sich dafür entschieden , sich als lebendes Porträt zur Schau zu stellen. Als solches muss sie dann behandelt werden. So hat sie es verdient. Das zu leugnen, das ist deine Bosheit, um noch mal auf neulich zurückzukommen. Gut, rette den unschuldigen Passanten, wenn du kannst, auch wenn es eine Dame der feinen Gesellschaft ist oder ein Wirtschaftsboss, der von der ganzen Unterdrückungspolitik tüchtig profitiert – aber unter gar keinen Umständen auf Kosten anderer, realerer Leute. Und wenn du sie nicht retten kannst, dann eben nicht. Alles hat seinen Preis.«
    Â»Ich glaube nicht, dass es ›reale‹ und ›realere‹ Leute gibt.«
    Â»Nicht?« Sie lächelte kalt. »Wenn ich dann eines Tages wieder verschwinde, Schätzchen, werde ich sicherlich weniger real sein als jetzt.« Sie machte eine eindeutige Bewegung in seine Richtung; er wandte den Kopf ab