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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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ertrinken könnte, dachte Elphaba, wäre das vielleicht die beste Art zu sterben.
    3
    Es war Mittag, als die Karawane am Rand des Schrähenlagers Halt machte, wo die letzten sandfarbenen Zelte sich im hohen Gras verloren. Eine Abordnung von Schrähen war ihnen entgegengeritten, etwa sieben oder acht Männer und Frauen mit blauen Bändern und Elfenbeinreifen. Daneben stand eine Art Sänfte, deren Vorhänge auf eine geknurrte Anweisung von innen hin zurückgezogen wurden und den Blick auf eine offensichtlich ältere Frau von kolossaler Statur freigaben, am ganzen Körper behängt mit kleinen Trommeln, klimpernden Amuletten und Gazeschleiern. Sie ließ den Rafiqi und die Stammespaladine Höflichkeiten oder Beleidigungen wechseln. Sie hatte eine wulstige Oberlippe, die so groß war, dass sie sich zurückkrümmte wie der umgekehrte Schnabel eines Kruges. Ihre Augen waren mit Kajal umrändert. Auf den Schultern hatte sie zwei mürrisch dreinblickende Krähen sitzen. Die Füße der Vögel waren von Goldringen umschlossen und an Schlingen in ihrem Zierkragen befestigt, in den der Saft der Früchte gelaufen war, die sie beim Warten verzehrt hatte. Ihre Schultern waren von Krähenkot besudelt.
    Â»Die Fürstin Nastoya«, sagte der Rafiqi schließlich.
    Sie war die schmutzigste, ungehobeltste Fürstin, die sie jemals gesehen hatten, doch sie besaß eine gewisse Würde. Selbst der glühendste Demokrat unter den Reisenden beugte das Knie. Sie lachte rauh. Dann befahl sie ihren Trägern, sie von diesem langweiligen Theater wegzubringen.
    Das Schrähenlager war in konzentrischen Kreisen angeordnet, in der Mitte das Zelt der Fürstin, verschönt und erweitert mit ausgebleichten gestreiften Baldachinen an allen Seiten, ein kleiner luftiger Palast aus Seide und Baumwollmusselin. Ihre Berater und Beischläfer wohnten anscheinend im nächsten Kreis (armselige Hänflinge allesamt, dachte Elphaba bei sich, aber vielleicht wurden sie ja eigens nach ihrer Geducktheit und Magerkeit ausgewählt, um die Fürstin noch mächtiger erscheinen zu lassen). Um diesen Ring schlossen sich gut vierhundert Zelte, was insgesamt etwa tausend Bewohner bedeutete, tausend Menschen mit lachsroter Haut, feucht vorstehenden Augen (aber dezent niedergeschlagen, dem direkten Blick ausweichend), wohlgeformten großen Nasen, dicken Hinterteilen und schwingenden breiten Hüften, Männer und Frauen gleichermaßen.
    Die meisten Mitglieder der Karawane entfernten sich nicht von ihren Wagen, weil sie gleich hinter dem nächsten Zelt mit dem Schlimmsten rechneten. Aber Elphaba konnte dieser ganzen lockenden Neuheit nicht widerstehen und einfach ruhig sitzenbleiben. Als sie umherging, wurde sie allgemein bestaunt, und die Erwachsenen wichen ihr scheu aus. Doch es waren gerade zehn Minuten vergangen, da schwirrte schon eine johlende Horde von sechzig Kindern hinter und vor ihr her wie ein Mückenschwarm.
    Der Rafiqi riet ihr, vorsichtig zu sein und zu den Wagen zurückzukehren, doch die Kinderjahre in den Sümpfen von Quadlingen hatten Elphaba nicht nur kühn gemacht, sondern auch neugierig. Es gab noch andere Arten zu leben als nach den bekannten Vorschriften.
    Nach dem Abendessen nahte sich eine Abordnung von aufrechten alten Schrähenwürdenträgern dem Wildbahnzug und begann ein langwieriges Palaver mit dem Rafiqi. Am Schluss übersetzte dieser das Anliegen: Eine kleine Schar war eingeladen (aufgefordert? angewiesen?), in das Heiligtum der Schrähen zu kommen. Mit dem Kamel sei es ein Ritt von einer Stunde. Vermutlich wegen ihrer sündhaften Hautfarbe, möglicherweise auch, weil sie die Kühnheit besessen hatte, allein durch die Zeltstadt der Schrähen zu schlendern, durfte Elphaba sich Uda, dem Rafiqi, Igo aufgrund seines ehrwürdigen Alters und einem der Spekulanten anschließen, der Knicker hieß – aber vielleicht war das auch ein boshafter Spitzname.
    Im Licht von Weidenfackeln schaukelten die mit glitzernden Schabracken bedeckten Kamele einen ausgetretenen Pfad entlang. Auf ihnen zu reiten war, als ginge man eine Treppe gleichzeitig hinauf und hinunter. Elphaba blickte über die flirrende Weite des Graslands hinaus. Obwohl das Meer nur eine den Mythen entsprungene Idee war, sah sie beinahe, wie die Idee entstanden war: Kleine Grasfalken schossen empor wie aus der Gischt springende Fische,schnappten nach Leuchtkäfern, schluckten

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