Wicked - Die Hexen von Oz

noch an die gute alte Zeit der Dürre erinnern.« Der Hausierer kramte einen etwas abgewetzten Schirm hervor. »So, da ist das gute Stück. Für fünf Kreuzer gehört er Ihnen.«
    Â»Den bekomme ich geschenkt«, sagte die Hexe. »Das werden Sie einer armen, alten, bedürftigen Frau doch nicht abschlagen, nicht wahr, mein Freund?«
    Â»Nicht, wenn mir mein Leben lieb ist, wie es aussieht«, antwortete er und zog unbezahlt seines Weges.
    Doch als der Wagen anfuhr, hörte die Hexe eine andere Stimme: »Natürlich fragt niemand ein Zugtier, aber meiner Meinung nach ist sie die aus dem Tiefschlaf erwachte Ozma, die in die Smaragdstadt marschiert, um sich wieder des Throns zu bemächtigen.«
    Â»Ich kann Royalisten nicht leiden«, sagte der Hausierer und schlug mit der Peitsche zu. »Und vorlaute Tiere schon gar nicht.« Doch statt einzuschreiten, flog die Hexe davon. Sie hatte es bis jetzt nicht geschafft, Nor zu befreien, sie hatte kein Tauschgeschäft mit dem Zauberer zustande gebracht. Sie war einen Augenblick zu spät gekommen, um Madame Akaber zu ermorden – oder war sie doch rechtzeitig gewesen? So oder so sollte sie sich um nichts bemühen, was ihre Kräfte überstieg.
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    Die Hexe hing flatternd am Rand eines Aufwinds. Sie hatte den Besen höher als je zuvor gelenkt und war hin- und hergerissen zwischen Überschwang und Panik. Sollte sie Dorothy verfolgen, sollte sie ihr diese Schuhe entreißen – und was war ihr wirkliches Motiv? Wollte sie verhindern, dass der Zauberer sie bekam, so wie Glinda gewollt hatte, dass sie nicht in die Hände machthungriger Munchkins fielen? Oder wollte sie damit Anspruch auf ein klein wenig Zuwendung von Frex erheben, ob sie diese nun verdient hatte oder nicht?
    Unter ihr zogen die Wolken auf und verschleierten den Blick auf geröllübersäte Berge und Flickenteppiche aus Melonen- und Maisfeldern. Die dünnen Dunstfahnen sahen aus wie die Radierspuren in einem Schulheft, weiße Schmierstriche auf einer aquarellierten Landschaftsskizze. Was würde geschehen, wenn sie den Besen einfach immer höher hinauf trieb? Würde er irgendwann am Firmament zerschellen?
    Sie konnte auch die Bemühungen aufgeben. Sie konnte Nor ihrem Schicksal überlassen. Sie konnte Liir zum Teufel schicken. Sie konnte von Ämmchen fortgehen. Sie konnte Dorothy laufenlassen. Sie konnte auf diese Schuhe verzichten.
    Doch da kam ein Wind auf, eine Wand harter Luft an ihrer linken Seite. Sie kam nicht dagegen an. Sie wurde zur Seite und nach unten gedrängt, bis sie zwischen Wäldern und Feldern wieder den goldenen Faden der Gelben Ziegelstraße erblickte. Am Horizont hing ein Gewitter, senkrechte braune Regenstreifen zwischen grauvioletten Wolken und graugrünen Feldern. Es blieb ihr nicht viel Zeit.
    Auf einmal meinte sie, die vier unter sich zu erspähen, und stieß hinab, um sich zu vergewissern. Machten sie unter einer Schwarzweide Rast? Wenn ja, dann konnte sie die Sache jetzt hinter sich bringen.  
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    Als das Gewitter schließlich abzog und die Hexe erwachte, nachdem sie endlich ihren Rausch ausgeschlafen hatte, wusste sie nicht, welcher Tag war und wie lange sie dort gelegen hatte. War sie überhaupt in die Nähe der vier gekommen oder hatte sie sich das in ihrem benebelten Zustand bloß eingebildet? Wie auch immer, die Hexe wagte nicht, ihnen in die Smaragdstadt zu folgen. Madame Akaber hatte in der Führungsriege viele Freunde gehabt, und die Meldung musste inzwischen dort angelangt sein. Vielleicht waren sogar Suchtrupps hinter ihr her.
    Obwohl es sie ärgerte, gab sie das Vorhaben, sich Nessas Schuhe zurückzuholen, fürs Erste auf. Auf dem Rückflug nach Kiamo Ko legte sie kaum eine Pause ein, sie pflückte sich höchstens einmal einpaar Beeren und knabberte ein paar Nüsse und Süßwurzeln, um bei Kräften zu bleiben.
    Die Burg war nicht niedergebrannt worden. Die gelangweilten Truppen des Zauberers standen immer noch auf dem Außenposten in Rotmühlen in Bereitschaft. Ämmchen war emsig dabei, eine hübsche Decke für ihre Beerdigung zu häkeln und die Gästeliste zu schreiben. Die meisten Gäste waren bereits im Anderen Land, und Ämmchen hoffte, auch dorthin zu kommen.
    Â»Es wäre wirklich schön, Muhme Schnapp wiederzusehen, das finde ich auch«, schrie die Hexe und drückte Ämmchen die Schulter. »Ich habe sie immer