Wicked - Die Hexen von Oz
nichts dergleichen«, giftete Melena.
»Nicht werfen, Elphielein!«, rief Ãmmchen.
»Ich sage nur, was man so hört. Es heiÃt, dass Quadlinger am Abend einschlafen und ihre Seelen dann aus dem Mund kommen und herumschweifen.«
»Dumme Leute erzählen dumme Sachen.« Melena sprach barsch und zu laut. »Ich habe noch nie gesehen, dass ihm seine Seele beim Schlafen aus dem Mund gekommen ist, und und ich habe reichlich Geleg â«
»Schätzchen, keine Steine!«, befahl Ãmmchen schrill. »Die anderen Kinder haben auch keine Steine.«
»Doch, haben sie«, bemerkte Gornette.
»Er ist der feinfühligste Mensch, der mir je begegnet ist«, sagte Melena.
»Mit feinfühlig kann man als Fischfrau nicht viel anfangen«, meinte Gornette. »Und als Pfarrer und Pfarrersfrau?«
»Jetzt blutet sie, wie ärgerlich«, sagte Ãmmchen. »Kinder, lasst Elphie los, damit ich die Wunde abwischen kann. Ach, ich habe gar keinen Lappen mit. Gornette?«
»Bluten tut ihnen gut, da haben sie weniger Hunger«, sagte Gornette.
»Bei mir steht feinfühlig wesentlich höher im Kurs als dämlich«, sagte Melena wutschnaubend.
»Nicht beiÃen«, sagte Gornette zu einem der kleinen Jungen. Doch als Elphaba den Mund aufmachte, um es ihm heimzuzahlen, rappelte sie sich auf, Hüftleiden hin oder her, und schrie: »Nicht beiÃen, zum Donnerwetter!«
»Sind Kinder nicht etwas Wunderbares?«, sagte Ãmmchen.
Dunkelheit zieht auf
J eden zweiten oder dritten Tag nahm Ãmmchen Elphaba an der Hand und watschelte mit ihr die schattige StraÃe nach Binsenrain. Dort spielte Elphaba unter den Augen der mürrischen Gornette mit den schmuddeligen Dorfkindern. Frex war wieder unterwegs (aus Selbstvertrauen oder Verzweiflung?) und verstörte armselige Dörfer mit seinem wilden Bart und seinen gesammelten Glaubenssätzen. Er war acht, zehn Tage am Stück weg. Melena übte Klavierläufe auf einer stummen Tastatur, die Frex für sie in OriginalgröÃe geschnitzt hatte.
Schildkrötenherz schien mit dem Nahen des Herbstes zu welken und auszudörren. Ihre Liebesnachmittage verloren langsam die triebhafte Hitze und gewannen an zärtlicher Wärme. Melena war stets für die Gefälligkeiten von Frex empfänglich und ihrerseits ihm gefällig gewesen, aber irgendwie war sein Körper nicht so geschmeidig wie der von Schildkrötenherz. Beim Einschlummern lag Schildkrötenherzens Mund an einer ihrer Brustwarzen, und seine Hände â seine groÃen Hände â wanderten wie intelligente Haustiere auf ihr umher. Sie stellte sich vor, dass seine Körperteile sich verselbständigten, wenn ihre Augen geschlossen waren: sein Mund wurde tätig, sein Schwanz erhob sich und stupste und drückte, sein Atem kam von woanders her als aus seinem Mund, wenn er ihr sanft ins Ohr säuselte, wortlos, seine Arme waren wie Bügel.
Dennoch kannte sie ihn nicht, nicht wie sie Frex kannte, sie konnte ihn nicht durchschauen wie die meisten anderen Menschen. Sie schrieb das seinem noblen Verhalten zu, doch das aufmerksame Ãmmchenbemerkte eines Abends, es liege nur daran, dass seine Sitten die eines Quadlingers waren; Melena habe sich niemals klargemacht, dass er einer anderen Kultur entstammte als sie.
»Kultur, was ist schon Kultur«, sagte Melena träge. »Menschen sind Menschen.«
»Hast du deine Kinderverse vergessen?« Ãmmchen legte ihr Nähzeug beiseite (sehr erleichtert) und rezitierte:
Jungen lernen, Mädchen wissen,
Weshalb sie nichts lernen müssen.
Jungen büffeln, Mädchen vergessen,
Andres lockt sie unterdessen.
Gillikinesen sind nicht blöd,
Munchkinleben sind meist öd.
Glikker hauen ihre Frauen,
Winkies hausen wie die Sauen.
Doch der Quadlinger, strohdumm,
Eklig, widrig, gar nicht fromm,
Frisst die Jungen, begräbt die Alten,
Noch bevor ihre Leichen erkalten.
Gib mir ânen Apfel, dann sag ichâs noch mal.
»Was weiÃt du von ihm?«, fragte Ãmmchen. »Ist er verheiratet? Warum hat er Niederdreckloch verlassen, oder wie das heiÃt, wo er herkommt? Selbstverständlich kommt es mir in meiner Stellung nicht zu, persönliche Fragen zu stellen â¦Â«
»Seit wann weiÃt du, was dir in deiner Stellung zukommt, und hältst dich auch noch dran?«
»Glaub mir, wenn das Ãmmchen seine Stellung vergisst, das wirst
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