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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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Laufbahn nur wegen der Achtlosigkeit meiner Muhme verpfuscht! Wenn ich erst einmal Zauberin bin, werde ich ihr das heimzahlen!«
    Â»Man könnte sagen, dass Elphaba uns zusammengebracht hat«, sagte Boq leise. »Dadurch, dass ich ihr nähergekommen bin, bin ich auch Ihnen nähergekommen.«
    Galinda kapitulierte. Sie ließ den Kopf auf das Samtkissen der Schaukel sinken und sagte: »Boq, so ungern ich es sage, Sie sind ein klein wenig süß. Sie sind ein klein wenig süß, und Sie sind ein klein wenig charmant, und Sie sind ein klein wenig nervig, und Sie werden ein klein wenig zur Gewohnheit.«
    Boq hielt den Atem an.
    Â»Aber Sie sind klein!«, schloss sie. »Sie sind ein Munchkin, herrje!«
    Er küsste sie, er küsste sie, er küsste sie, jedes Mal ein klein wenig mehr.
    Am nächsten Tag brachten Elphaba, Galinda, Boq und Grommetik – und natürlich Muhme Schnapp – die sechsstündige Rückfahrt nach Shiz hinter sich, ohne mehr als ein Dutzend Bemerkungen zu wechseln. Avaric blieb da, um sich mit Fanny und Schenschen zu vergnügen. Der lästige Regen setzte am Rande von Shiz ein, und die ehrwürdigen Fassaden des Grattler- und des Brischko-Kollegs waren vor lauter Dunst kaum zu erkennen, als sie endlich zu Hause eintrafen.
    6
    Boq hatte weder Zeit noch Lust, von seinem Liebesabenteuer zu erzählen, als er Krapp und Timmel wiedersah. Nachdem der nashörnige Bibliothekar den Jungen und dem Fortgang ihrer Arbeit den ganzen Sommer über wenig Beachtung geschenkt hatte, war ihm plötzlich aufgefallen, wie wenig getan worden war, und jetzt waren sie ständig seinen wachsamen Blicken und seinem missbilligenden Schnauben ausgesetzt. Die Jungen reinigten Pergamentseiten mit Pinsel und Läppchen, rieben Schwimmfußöl auf lederne Einbände und polierten Messingschließen und kamen über alledem kaum dazu, miteinander zu schwatzen. Nur noch wenige Tage, dann war der Stumpfsinn ausgestanden.
    Eines Nachmittags ließ Boq den Blick über den Kodex schweifen, mit dem er gerade beschäftigt war. Meistens achtete er bei der Arbeit nicht auf den Inhalt der Werke, aber die in der Illumination verwendete knallrote Farbe zog seine Aufmerksamkeit an. Es war das Bild – vier-, fünfhundert Jahre alt? – einer kumbrischen Hexe. Der visionäre Eifer oder das besorgte Interesse an Magie hatte einem Mönch den Pinsel geführt. Die Hexe stand auf einem Isthmus, der zwei felsige Landmassen verband, und zu beiden Seiten erstreckte sich himmelblaues Meer mit schaumgekrönten Wellen von erstaunlicher Plastizität und Genauigkeit. Die Hexe hielt auf dem Arm ein tierisches Wesen von unbestimmbarer Art, das allem Anschein nach ertrunken war oder jedenfalls beinahe. Ein Arm von unnatürlicher Biegsamkeit umschlang liebevoll den nassen, zotteligen Rücken des Wesens. Mit der anderen Hand holte sie eine Brust aus ihrem Kleid, um das Wesen daran trinken zu lassen. Ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten –vielleicht hatte die Hand des Mönchs ihn verschmiert oder Alter und Schmutz ihm den verschwommenen Charakter des Mitgefühls verliehen? Sie wirkte fast wie eine Mutter mit einem leidenden Kind. Ihr Blick war nach innen gekehrt oder traurig. Doch ihre Füße passten nicht zum Gesichtsausdruck, denn sie krallten sich mit Greifzehen an der Landenge fest, gut erkennbar trotz der silbernen Schuhe, deren münzenartiger Glanz Boq gleich ins Auge gefallen war. Außerdem standen die Füße im rechten Winkel zu den Schienbeinen, spiegelbildlich Ferse an Ferse und Zehen nach außen weisend wie in einer Ballettposition. Das Kleid war in einem schleierigen Dämmerblau. Nach den kräftigen Farbtönen vermutete er, dass das Werk seit Jahrhunderten nicht mehr aufgeschlagen worden war.
    Das Bild erschien ihm wie eine kalkulierte dramatische Vermischung der Mythen von der Erschaffung der Tiere . Die Wasser der Sintflut waren da, ob sie nun den Sagen um Lurlina oder den Namenlosen Gott entstammten, ob sie nun stiegen oder sanken. War die kumbrische Hexe dabei, das den Wesen bestimmte Schicksal zu vereiteln oder zu vollenden? Obwohl Boq die schnörkelige archaische Handschrift nicht entziffern konnte, bestätigte dieses Dokument vielleicht die Sage von einem kumbrischen Hexenzauber, der den Tieren Sprache, Erinnerung und Barmherzigkeit verliehen hatte. Aber vielleicht bestritt es sie auch in glühenden

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