Wicked - Die Hexen von Oz
Gliedes. Aber ich bin gelegentlich auf Besuch in Binsenrain gewesen. Da könnte ich Sie kennengelernt haben, als Sie noch ohne Hosen rumgerannt sind.«
»Sehr angenehm«, sagte Nessarose.
»Boq ist mein Name«, sagte Boq.
»Sie heiÃt Nessarose«, sagte Ãmmchen, als ob es für das Mädchen zu schmerzhaft wäre, sich selbst vorzustellen. »Sie sollte eigentlich erst nächstes Jahr nach Shiz kommen, aber offenbar gibt es ein Problem mit einer gillikinesischen Wärterin, die den Verstand verloren hat. Also wird nach dem Ãmmchen gerufen, und kann das Ãmmchen ihre SüÃe alleinlassen? Sie sehen ja, warum das nicht geht.«
»Ein trauriger, rätselhafter Fall. Wir hoffen auf Muhme Schnapps Besserung«, sagte Boq.
Im Grattler-Kolleg wurde Boq Zeuge des herzlichen Wiedersehens der beiden Schwestern. Madame Akaber hieà ihren mechanischen Diener Tee und Krapfen für die Damen Thropp und für Ãmmchen, Boq und Glinda servieren. Boq, der angefangen hatte, sich Sorgen über Glindas Verstummen zu machen, bemerkte mit Erleichterung den harten, taxierenden Blick, den Glinda über Nessaroses elegantes Kleid schweifen lieÃ. Ob Glinda sich fragte, wie es sein konnte, dass die Schwestern beide entstellt waren und sich so unterschiedlich kleideten? Elphaba trug einen denkbar bescheidenen Kittel, heute in dunkelrot, beinahe schwarz. Nessarose, auf einem Sofa neben Ãmmchen plaziert, die ihr die Teetasse an die Lippen führte und ihr Krapfenstückchen mundgerecht abbrach, war in Seide in den Tönen von Moos, Smaragd und gelbgrünen Rosen gehüllt. Die grüne Elphaba, die auf der anderen Seite saà und sie zwischen den Schultern stützte, wenn sie den Kopf zum Trinken in den Nacken legte, sah aus wie ein darauf abgestimmtes Accessoire.
»Die ganze Regelung ist höchst ungewöhnlich«, sagte Madame Akaber gerade, »aber wir haben leider keinen unbegrenzten Platz für Sonderfälle. Wir lassen Damsell Elphaba und Damsell Galinda â oder neuerdings Glinda, stimmtâs?, wie originell â, wir lassen also diese beiden alten Freundinnen, wo sie sind, und quartieren Sie, Damsell Nessarose, mit Ihrer Wärterin im Zimmer daneben ein, das der armen Muhme Schnapp gehört hat. Es ist klein, aber betrachten Sie es einfach als heimelig.«
»Aber wenn Muhme Schnapp wieder gesund wird?«, fragte Glinda.
»Ach, meine Liebe«, sagte Madame Akaber, »was für ein Vertrauen die Jugend doch hat! Wirklich rührend.« In härterem Ton fuhr sie fort: »Sie haben mir seinerzeit erzählt, dass diese auÃergewöhnliche Krankheit seit langem schon immer wieder bei ihr auftritt. Ich kann nur annehmen, dass es jetzt zu einer Verschlechterung und einem dauerhaften Rückfall gekommen ist.« Sie mümmelte einen Keks auf ihre langsame, fischähnliche Art, wobei ihre Backen sich wie ein lederner Blasebalg blähten und wieder einfielen. »Natürlich können wir alle hoffen. Ich fürchte, viel mehr bleibt uns nicht übrig.«
»Wir können beten«, bemerkte Nessarose.
»Oh, gewiss doch«, sagte die Rektorin. »Unter wohlerzogenen Menschen versteht sich das von selbst, Damsell Nessarose.«
Boq sah, wie Nessarose und Elphaba rot wurden. Glinda entschuldigte sich und verlieà den Raum. Der übliche Anflug von Panik, den Boq bei ihrem Weggang empfand, wurde durch das Wissen gemildert, dass er sie in der nächsten Woche in Biowissenschaft wiedersehen würde, denn angesichts des neuen Einstellungsverbots für Tiere hatten die Kollegien beschlossen, ab sofort Gemeinschaftsvorlesungen für sämtliche Studenten beiderlei Geschlechts einzuführen. Boq würde Glinda in der ersten gemischten Vorlesung sehen, die in Shiz jemals gehalten worden war. Er konnte es kaum erwarten.
Allerdings hatte sie sich verändert. Sie hatte sich merklich verändert.
2
Glinda war in der Tat verändert. Das wusste sie selbst. Sie war als ein eitles, albernes Ding nach Shiz gekommen, und auf einmal fand sie sich in einer Schlangengrube wieder. Vielleicht war es ihre eigene Schuld. Sie hatte sich für Muhme Schnapp eine Phantasiekrankheit ausgedacht, und jetzt hatte Muhme Schnapp sie bekommen. War das der Beweis für eine angeborene zauberische Begabung? Glinda hatte für dieses Jahr Zauberei als Hauptfach gewählt und nahm es als gerechte Strafe hin, dass Madame Akaber ihre
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