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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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ich mir im Leben nicht merken können.
    Es gab so viel zu sehen, so viel zu bestaunen. Wir gingen zuerst in die Maske (die wollte ich natürlich gleich am Anfang sehen), dann in die Requisite, besuchten den Malsaal, die Schlosserei und die Tischlerei, bevor es endlich zum Herzstück des Hauses, zur Bühne, ging.
    Das Theater verfügte über einen hohen Bühnenturm, dort hinauf brachte Jonas mich durch dunkle Gänge, über Treppen und Leitern, und ich konnte mir in schwindelerregender Höhe die Lichtbrücke ansehen, an der alle Scheinwerfer befestigt waren. Wenn von hier oben auch nur eine Schraube auf die Bühne fiel, konnte unten jemand getötet werden, erklärte er mir. Jede Kulisse musste so gebaut sein, dass nichts passieren konnte. Und er trug die Verantwortung dafür– falls doch jemand zu Schaden kam, könnte ich ihn die nächsten vierzig Jahre in der JVA Fuhlsbüttel besuchen. Ich war heftig beeindruckt, ließ es ihn aber nicht allzu sehr merken. Er machte nicht den Eindruck, als wäre er auf Komplimente oder Lob aus, sondern war sich seiner selbst sehr sicher. Souverän führte er mich durch die vielen verwinkelten Gänge und riesigen Räume, in denen ich mich alleine schon nach zwei Minuten hoffnungslos verirrt hätte.
    Auf die Bühne wollte ich natürlich auch, also kletterten wir die steilen Leitern wieder nach unten. Meine hochhackigen Riemchensandalen waren weder für den Schneematsch noch für die Theatertour die geeignete Wahl gewesen, aber irgendwie kam ich doch ohne nennenswerte Schäden wieder im Erdgeschoss an.
    Dort stand das Bühnenbild von Hamlet – Schauspieler waren aber wegen der Mittagspause nicht zu sehen, erklärte mir Jonas. Er erzählte, wie die technische Einrichtung des Stückes verlaufen war, ich hörte aber kaum zu. Stattdessen lief ich aufgeregt zwischen den Kulissen hin und her, bestaunte den modern inszenierten Thronsaal, dessen Wände aus leeren Cornflakespackungen bestanden, und sah im Zuschauerraum die vielen mit rotem Samt bezogenen Stuhlreihen.
    Dies waren sie nun, die Bretter, die für andere die Welt bedeuteten! Ein leichtes Kribbeln durchlief mich, ich fühlte mich auf dieser Bühne, auf der vor mir schon große Schauspieler und Künstler gestanden haben mussten (auch wenn ich sie nicht namentlich kannte), auf einmal über alle weltlichen Probleme erhaben und rief pathetisch und gebärdenreich: » Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage!« Ich richtete mich an mein imaginäres Publikum im Saal und seufzte schmachtend:
    » O Romeo, o Romeo, willst du mich heiraten? Meine Liebe ist dir immer gewiss… O nein, ich glaub, ich habe aus Versehen Gift getrunken, üüüäää!«
    Damit griff ich mir theatralisch an den Hals, würgte, krächzte und simulierte die sterbende Julia, indem ich mich ächzend hin- und herwand und schließlich unter lautem Stöhnen und Seufzen auf der Bühne zusammenbrach. Das wollte ich ja schon immer mal machen, auch wenn meine Rolle der Julia in diesem Fall sehr frei interpretiert war.
    Hinter mir kicherte es, und ich drehte mich um, knallrot vor Schreck und Scham. Meine kleine Sondervorstellung war ja nun nicht für öffentliches Publikum bestimmt gewesen, nur vor Jonas hatte ich nicht das Gefühl, mich zu blamieren. Am Seiteneingang der Bühne standen aber nun Jonas, der sich das Lachen mühsam verkniff, und ein junges Mädchen, kaum fünfundzwanzig, das sich schier kaputtlachte. Vor lauter Lachen hielt sie sich– musste das denn wirklich sein?– an Jonas fest, und mir dämmerte, dass die beiden sich wohl schon eine Weile kannten. Während sie sich immer noch kichernd ihre durchs Lachen verschmierte Wimperntusche wegwischte, betrachtete ich sie eingehend. Und mit Sicherheit nicht gerade freundlich. Ihre verwaschene Jeans, die einen ziemlich wohlgerundeten Po betonte, saß gut, dazu trug sie abgewetzte pinke Chucks. Ein ziemlich enges T-Shirt in ausgewaschenem grau mit silbrig schimmernden Akzenten brachte ihre schmale Taille zur Geltung, und es konnte mir niemand erzählen, dass sie sich nur zufällig so angezogen hatte.
    Als sie ihren Kopf an Jonas’ Schulter legte und dabei den Arm um ihn schlang, um so zu tun, als müsse sie sich von ihrem kleinen Lachanfall ausruhen, schritt ich ein. Meine kleine Theatereinlage souverän ignorierend, ging ich auf die beiden zu, strich ziemlich demonstrativ über Jonas’ Arm und sagte mit demonstrativem Wimpernklimpern:
    » Schatz, möchtest du mir deine Kollegin nicht vorstellen?«
    Selbige hörte

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