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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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dran denken: Flaschenkinder werden auch groß. Wenn ich genervt bin, resultiert das aus der Müdigkeit; angeblich ist es normal und wird nach drei Monaten etwas besser.
    Weil ich das Gefühl habe, nur Probleme zu haben, schreibe ich gleich noch auf, was gerade » gut« läuft:
Habe einen lieben Mann, der sich nachts auch mal um die Kleine kümmert und mir Rosen mitbringt. (Jonas schreibt mir und Maja jeden Morgen einen liebevollen Zettel, und die Rosen, die ich vor zwei Wochen bekommen hatte, stehen mit Haarspray besprüht und getrocknet in der Vase).
Meine Rücken- und Bauchschmerzen werden von Tag zu Tag besser.
Jonas hat den Stepper schon aus dem Keller geholt, ich kann also bald wieder anfangen zu trainieren.
Das Wetter wird wieder schöner.
Ich bin Journalistin in der Babypause und werde bald wieder arbeiten. (Hoffentlich)
    Mehr fällt mir nicht ein.
    Als ich ungefähr fünfunzwanzig war, habe ich festgestellt, dass nicht alle Leute Listen machen. Das hat mich sehr gewundert, denn bis dahin dachte ich, das sei völlig normal. Ich hab schon mit zehn Jahren zweimal im Jahr in meinem Kleiderschrank Inventur gemacht und genau aufgeschrieben, wie viele blaue, rote und grüne Shirts von welchen Marken ich habe. Später habe ich die gesammelten Werke meiner Brieffreunde katalogisiert– welche Brieffreundin mir wie oft und in welchen Abständen geschrieben hatte und auf einer Skala von eins bis zehn, wie nett ich sie fand. Das mit der Sympathieskala mache ich heute noch und aktualisiere die Listen jeden Monat.
    Mit circa vierzehn fing ich an, mir jeden Morgen meinen Tagesplan aufzuschreiben. Wich etwas davon ab, wurde ich unruhig, empfand es aber als Herausforderung, alles umzuorganisieren, und war wahnsinnig stolz, wenn ich doch irgendwie alles geschafft hatte. Dass ich letztendlich beim Radio und dann beim Fernsehen gelandet bin, wo eigentlich immer alles anders kommt als man denkt, scheint irgendwie damit zu tun zu haben.

10

    » Hallo, ich bin Sophie Sonnenberg und bin mit Jonas Ahorn verabredet«, stellte ich mich artig beim Pförtner des Theaters vor, in dem Jonas arbeitete.
    » Moin, ich ruf ihn aus«, bekam ich zur Antwort, und keine Sekunde später schallte Jonas’ Name durch die Sprechanlage, die im ganzen Haus zu hören war. Ich wartete im Foyer auf ihn, besah mir in der Zwischenzeit die Prospekte mit dem Bühnenprogramm und lächelte ab und an dem weißhaarigen, korpulenten Pförtner verlegen zu, der mich interessiert beobachtete.
    Zwei Tage nach unserem schönen Sonntagsausflug an die Alster waren Jonas und ich heute Mittag zum Kaffee verabredet. Gestern hatten wir uns nicht mehr gesehen und auch nur einmal kurz telefoniert, weil jeder von uns viel zu tun hatte. Da wir beide in der Hamburger Innenstadt arbeiteten, und ich um zwölf Uhr Feierabend hatte, konnten wir gegen halb eins in seiner Mittagspause im Balzac am Jungfernstieg Kaffee trinken gehen. Davor hatte er mich zu einem Rundgang in » seinem« Theater eingeladen.
    Ich war aufgeregt und gespannt, einerseits, wie er sich mir gegenüber vor seinen Kollegen verhalten würde, andererseits, wie es hinter den Kulissen aussah. Außerdem hatte ich immer noch nicht richtig verstanden, was er eigentlich machte, aber allein die Tatsachen, dass er ein Einser-Abi in der Tasche hatte und früher Tennislehrer und DLRG-Rettungsschwimmer gewesen war und in seiner Band Keyboard spielte und sang, beeindruckten mich zutiefst. Meine Hormone jubelten und zappelten und wollten ihn unbedingt gleich als Vater meiner Kinder. Ich gebot ihnen, noch ein wenig Geduld aufzubringen, und wollte mir nun erst einmal ansehen, was er im Theater so auf die Beine stellte. Danach würden wir weitersehen.
    Der Frühling hatte sich fürs Erste wieder verabschiedet. Ich war durch ekligen, matschigen Schneeregen von meinem Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs bis zum Theater am Jungfernstieg gegangen, aber was tut man nicht alles für die Liebe– oder etwas, von dem ich annahm, dass es bald Liebe sein würde.
    » Hey, Sophie«, hörte ich Jonas da rufen. Er öffnete die Glastür neben der Pförtnerbutze und lächelte mir zu. Mir wurde ganz warm ums Herz. Es war so schön, ihn zu sehen. Er freute sich offensichtlich auch, küsste mich und stellte mich dem Pförtner vor. Dessen Namen hatte ich nach nur fünf Minuten wieder vergessen, Jonas hatte so unendlich viele Kollegen– Tischler, Schlosser, Maler–, die alle nett Hallo zu mir sagten und mich anlächelten, die einzelnen Namen hätte

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